Die Frau im Rueckspiegel
daß sie sich Sorgen machen könnte.
Sie ging zu Hanna, nahm sie in die Arme und drückte sie übermütig. »Entschuldige, Hanna. Es war ziemlich hektisch die letzten Tage.«
»Das sah eben aber nicht gerade sehr hektisch aus«, frotzelte Hanna und ließ einen neckenden Blick zwischen Christiane und Rebecca hin- und herschweifen.
Rebecca schwieg verlegen. Was sollte sie darauf auch erwidern?
»Offensichtlich habe ich in den letzten Tagen eine Menge verpaßt«, stellte Hanna fest.
»Nicht so viel, wie du glaubst«, meinte Christiane gelassen. Sie wollte vermeiden, daß Rebecca sich durch eine Stellungnahme zusätzlich unter Druck gesetzt fühlte. »Ich werde jedenfalls nicht hier einziehen, und auch sonst haben wir keinerlei Zukunftspläne geschmiedet. Du behältst deine Rebecca also nach wie vor für dich.«
Daß Rebecca bei diesen Worten leicht die Stirn runzelte, bemerkte Christiane nicht. Eine kurze Stille entstand.
»Na dann, gehen wir doch in die Küche und erzählen Hanna, was alles so passiert ist«, nahm Rebecca den Faden des Gesprächs wieder auf.
Hanna hörte sich Rebeccas Schilderungen der Ereignisse teils ungläubig, teils geschockt an. »Das heißt, wenn Christiane sich nicht eingemischt hätte, wärst du jetzt in der psychiatrischen Abteilung?«
»Das kann ich nicht ausschließen.«
Hanna sah entsetzt zu Christiane. »Sie übertreibt«, schwächte diese ab.
Rebecca schüttelte den Kopf. »Christiane ist sich nicht bewußt, wie sehr sie mir geholfen hat. Sie denkt, ich hätte mich da auch selbst rausgeholt. Aber ich weiß, wie ich mich fühlte, bis sie kam. Das war kein Gefühl der Stärke. Ich kannte mich selbst kaum, war völlig ohne Orientierung.«
Einmal mehr kam Christiane der Gedanke, daß Rebecca ihre Gefühle für sie falsch interpretierte. Rebecca empfand offensichtlich eine große Dankbarkeit. Was, wenn sich diese Dankbarkeit mit Gefühlen vermischt hatte, die zwar einer gewissen Anziehung zwischen ihnen entsprangen, mit Zuneigung aber wenig zu tun hatten? Und Rebecca selbst merkte es nicht einmal und glaubte sogar, sich verliebt zu haben.
Es wird das Beste sein, wenn ich etwas Abstand zwischen uns bringe.
Dieser Gedanke setzte sich in Christiane fest. Es schien ihr das Klügste, auch für Rebecca, die sich im Moment ja schon übertrieben anhänglich zeigte. Sie klebten förmlich aneinander. Noch ein Zeichen dafür, daß Rebecca neben sich stand. So war sie doch nicht! So anlehnungsbedürftig!
»Ich . . . mir fällt gerade ein, daß ich Judith versprochen habe, noch bei ihr vorbeizusehen«, sagte Christiane aus ihren Gedanken heraus. Sie stand auf. »Morgen ist das Abschlußtraining vor dem Turnier am Samstag, und wir . . . wir müssen noch mal die Strategie besprechen.« Eine etwas wacklige Ausrede für den plötzlichen Wunsch nach Aufbruch, aber ihr fiel gerade nichts Besseres ein.
»Für das Training?« fragte Rebecca.
»Für das Turnier.«
»Ich dachte immer, so was legt der Trainer fest«, wunderte Rebecca sich.
»Ja, tut er ja auch, aber . . .« Christiane suchte krampfhaft nach einer glaubhaften Erklärung. ». . . wir haben da so eine Idee, die wir dem Trainer vorschlagen wollen. Und die müssen wir noch mal durchgehen. Damit wir sie morgen ausprobieren können.«
»Aha.« Rebecca nickte. »Na ja, dann . . . Ich bringe dich noch schnell raus.« Sie erhob sich.
Christiane lächelte Hanna zu. »Bis morgen früh, Hanna.«
An der Haustür hielt Rebecca Christiane zurück. »Ist alles in Ordnung?«
»Aber ja.«
»Du hattest gar nichts von dieser Strategiebesprechung erzählt. Ist das wirklich der Grund, weswegen du gehst?«
»Natürlich«, versicherte Christiane. »Ich hatte es einfach nur vergessen.«
»Sicher? Ich habe nämlich den Eindruck, du . . . irgendwas hast du doch. Ich spüre es.«
»Ich habe nichts«, beteuerte Christiane. Aber Rebeccas Gesicht drückte zu viel Unglauben aus. »Höchstens . . . vielleicht bin ich immer noch unsicher«, räumte Christiane ein. Es war nicht die ganze Wahrheit, aber zumindest ein Teil von ihr. Denn unsicher war sie wirklich, nur nicht, wie Rebecca jetzt denken mußte, ihrer Beziehung wegen. Jedenfalls nicht, was ihre Gefühle zu Rebecca anging. Sondern genau das Gegenteil. Sie glaubte nicht an Rebeccas Gefühle. Was sie ihr jedoch nicht sagen konnte. Rebecca wäre enttäuscht. Und sie würde es sowieso bestreiten.
»Das ist alles?« fragte Rebecca. Sie schien erleichtert.
»Ja.«
»Aber das ist
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