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Die Frau im Tal

Die Frau im Tal

Titel: Die Frau im Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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faselst du da?«
    »Der Farbcode in meinem Kopf. Der Farbcode der Tonarten.«
    »Aha«, sagt Hillveg skeptisch. »Aber im A-Dur-Konzert ist nicht viel Ziegelrot.«
    »Vielleicht nicht«, gebe ich zu.
    »Ich sehe überhaupt keine Farben in der Musik. Hör dir nur die Eröffnung an. Obwohl, in Dur sickert Mozarts sanfte Melancholie sofort durch. Dieselbe Figur verwendet er in der Eröffnung zum Klarinettenkonzert und auch beim Klarinettenquintett.«
    »Wie würdest du das nennen?«
    »Durch Tränen lächeln.«
    Ich nicke. »Das hast du schön gesagt. Das Konzert ist nicht so hell und leicht, wie es aussieht.«
    »Hörst du nicht das Wehmütige?« sagt Hillveg eifrig. »Der zweite Satz in fis-Moll zum Beispiel.«
    »Fis-Moll ist vielfarbig, nicht wahr? Fast wie Schmetterlinge im Regen?«
    »Verschone mich mit deinen Farben! Du entdeckst in diesem Satz genügend Trauer und Verzweiflung für ein ganzes Leben.«
    »Aber auch Versöhnung?«
    »Ja.«

    »Ich werde darüber nachdenken«, sage ich.
    »Natürlich wirst du das nicht«, sagt er. »Das sehe ich dir an. Du hast dich entschlossen. Spiele Rachmaninow. Er paßt zu deiner Stimmung. Später einmal wirst du verstehen, was ich dir klarmachen wollte. In jedem Leben findet sich einmal die Zeit für Mozart.«
»Heut nacht verduften wir«
    Draußen auf der Straße bläst mir der Herbstwind direkt ins Gesicht. Eine rauhe Luft, sie kündigt Kälte und Winter an. Die neuen Musikstudenten stehen in kleinen Gruppen vor der Aula. Eine neue Saison mit Konzerten. Ich werde nicht dabeisein. Ein Gefühl, als würde ich sündigen. Jetzt mache ich mich aus dem Staub. Jetzt denke ich wie ein Verbrecher: Von jetzt an bestimme nur noch ich allein. Von jetzt an habe ich alles unter Kontrolle. Es klingt wie ein Echo aus einem alten Räuberroman: »Heut nacht verduften wir.«

    Ich nehme die Straßenbahn hinauf nach Røa. Kein letzter Besuch im Club 7. Keine Gespräche mehr mit Gabriel Holst und seiner Freundin oder mit meiner Schwester Cathrine. Keine Ausflüge mehr mit Rebecca zum Brunkollen. Von jetzt an bin ich allein. Das ist meine Entscheidung. W. Gude hat mir das Geld für das Debütkonzert überwiesen. Das lief besser als erwartet. Mit einem ausverkauften Haus hatte niemand gerechnet. Dazu kommt jeden Monat die Miete von Rebecca. Vorläufig habe ich genügend Geld. Und ich werde bei den weiteren Konzerten Geld verdienen. Was Mariannes Mutter mit dem Erbe zu tun gedenkt, geht mich nichts an. Das Skoog-Haus wird während meiner Abwesenheit leer stehen. Ich hätte nett sein und Gabriel, Jeanette oder Cathrine anbieten können, dort zu wohnen, aber ich ertrage den Gedanken nicht. Noch nicht. Obwohl ich dieses Haus liebe, liegt darauf ein Fluch. Ich muß einen Code knacken. Ein einzelner Mensch kann alles erklären.
    Und kein anderer kann es verstehen.Ich packe meinen Koffer. Viel brauche ich nicht. Ich werde für die Freunde der Musik in Volkshochschulen spielen. W. Gude hat es so organisiert. Das sieht anstrengend aus auf dem Papier. Fast jeden Tag ein Konzert. Welche Befreiung.
    Das Haus verhält sich abwartend, verfolgt mich mit den Augen. Sie sitzen in den Wänden, in den Fenstern, in den Lautsprechern. Ich greife mit der Hand unter den Deckel des Flügels und fische die Tabletten heraus. Dann bleibe ich still stehen und schaue mich im Zimmer um.
    »Hallo«, sage ich. »Hallo?«
    Endlich rufe ich ein Taxi.

    Der Nachtflug nordwärts. Einer der letzten der Saison. Die Maschine ist zum Bersten voll mit Touristen und Jägern, dazu Soldaten in grünen Uniformen, vorne sitzen einige Manager und blättern in ihren Unterlagen. Im Handgepäck habe ich Rachmaninows zweites Klavierkonzert und einige ausgewählte Noten, Brahms op. 116, 117, 118 und 119, Balladen von Chopin und ein wenig Grieg. Und Mozarts A-Dur Klavierkonzert. Alles andere habe ich im Kopf. Alles ist im Kopf. Die Stimmung in der Maschine ist angeregt. Im Süden kündigt sich bereits das Herbstdunkel an, während es weiter im Norden noch heller ist. Wir fliegen zu einem gottverlassenen Ort am Ende der Welt. Keine Ahnung, was mich dort erwartet, ich war noch nie in Nordnorwegen. Ich bin noch kaum gereist, war nur in Wien, wo ich Marianne heiratete. Das ist erst ein halbes Jahr her.
    Der Platz neben mir ist nicht besetzt, zum Glück, da muß ich mich nicht unterhalten. Worüber sollte ich schon reden? Im Grunde kann ich nur mit Menschen reden, die Marianne oder Anja kannten. Ich habe kein anderes Leben.
    Beim Start der Maschine ist

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