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Die Frau im Tal

Die Frau im Tal

Titel: Die Frau im Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Kognak in Reserve?«
    »Leider nicht«, sagt er und erhebt sich mit einem Ruck. »Ich hätte das vielleicht nicht vorschlagen sollen.«
    »Doch, doch. Ich freue mich schon. Und vergessen Sie nicht, einige Flaschen alkoholhaltiger Getränke vor dem Konzert in der Künstlergarderobe bereitzustellen! Ich spiele am besten mit einigen Promille. Das war auch bei Charlie Parker so, das wissen Sie doch?«

    Ich bin der böse Geist im Restaurant des Hotels. Ich sitze in einer Ecke und trinke mir gezielt einen Rausch an. Um die Anonymität, nach der ich mich sehnte, bin ich bereits betrogen worden. Aber das macht nichts, solange ich diese Haut um mich habe. Wenn Schriftsteller zuAlkoholikern werden können, warum dann nicht auch Pianisten? Rubinstein sprach viel vom Wein. Er trank ihn auch. Und man konnte es hören, wenn er spielte. Ein Patzer hier, einer dort. Was ist schon dabei? War es nicht Corot persönlich, der nicht jederzeit richtig spielen wollte? Direktor Høegh läßt mich jetzt in Ruhe. Er sitzt am Sechsertisch und ißt Chateaubriand, trinkt ausgezeichneten Rotwein in großen Schlucken und macht sich Sorgen über meinen Alkoholkonsum. Ich hätte etwas Besseres verdient, sagte er, bevor er verärgert zurück zu den andern ging.
Prügelei auf offener Straße
    Als das Restaurant schließt, habe ich meine dritte Flasche schon ein Stück weit geleert. Wieder Les Mesnilis. Und diesmal sprach ich es aus, wie der Ober es kannte.
    »Le Menill«, antwortete er mit zusammengekniffenen Lippen.
    Die Gruppe der sechs ist gegangen, ohne ein Abschiedswort des Direktors Høegh. Ich habe mein Territorium zurückerobert. Ich werde mehr und mehr wach, bekomme mehr und mehr Einfälle. Bald ist die ganze Welt soweit, erobert zu werden. Zumindest das Zentrum von Kirkenes. Ich stehe auf und werfe einen Stuhl um.
    Der Ober kommt angelaufen.
    »Brauchen der Herr jemanden, der ihn in sein Zimmer bringt?« sagt er mit der belegten Samariterstimme, die er von seiner Mutter gelernt haben muß.
    »Nein danke«, sage ich und fühle mich nüchtern und klar im Kopf. »Der Stuhl stand mir nur etwas im Weg.«
    »Möchte der Herr die Rechnung unterschreiben?«
    »Natürlich«, sage ich und zucke zusammen, als ich denBetrag sehe. Ich dachte, Rentier sei Hausmannskost. Dieser Abend hat meine Barschaft deutlich dezimiert.

    Mit unsicheren Schritten gehe ich zur Rezeption, um den Schlüssel zu holen. Die Kleine mit den süßen Pickeln ist immer noch da. Sie erfaßt meinen Zustand und überreicht mir wortlos den Schlüssel.
    »Gibt es hier in der Nähe ein Klaviergeschäft?« frage ich freundlich.
    Sie kichert. »Klaviergeschäft?« wiederholt sie.
    »Ja einen Laden, in dem man Flügel oder Klaviere kaufen oder mieten kann?«
    »Davon weiß ich nichts«, murmelt sie und fixiert den Ständer mit den Ansichtskarten. Mitternachtssonne und Eisbären.
    »Verstehe«, sage ich und gehe zur Ausgangstür.
    »Wohin wollen Sie?« fragt sie ängstlich.
    »In die Stadt, Kirkenes erkunden«, sage ich.

    Draußen regnet es, und es ist kalt. Ungewöhnlich kalt für September. Aber wenn es sein muß, dann muß es sein, wie sie hier oben sagen. Seit dem Essen habe ich nur den einen Gedanken im Kopf: so schnell wie möglich ein Klavier beschaffen. Warum habe ich nicht früher daran gedacht? Ich kann es nicht so machen wie im Traum und über den Tasten spielen. Ich brauche ein richtiges Klavier, und ich brauche einen Raum zum Üben.
    Draußen auf der Straße riecht es nach Bratfett, und überall sind Jugendliche unterwegs. Wahrscheinlich ist Samstag, denke ich, während mir der Polarwind frontal ins Gesicht bläst. Vielleicht möchte ich mir nur ein wenig die Beine vertreten. Ich weiß es nicht genau. Ich vergesse, daß ich Anzug und Krawatte anhabe. Ich muß dieseStadt kennenlernen. Dort ist eine Buchhandlung. Und da verkaufen sie Badezimmerzubehör. Dann einige Kleidergeschäfte. Alltagskleidung für Fischer. Baskenmützen für Damen. Krawatten in grellen Farben. Ich überhole eine Gruppe Teenager. Sie haben Bierflaschen in den Händen. Plötzlich fühle ich mich älter als sie.
    »Weiß jemand, ob es in der Nähe ein Klaviergeschäft gibt?« sage ich.
    Sie mustern mich, trinken demonstrativ aus den Flaschen, halten mich sicher für einen Leichtmatrosen, der gerade aus Yokohama zurückgekehrt ist.
    »Klaviergeschäft?« sagt einer der Jungs, ein kleiner Teufel mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen.
    »Ja«, sage ich.
    »Was willst du mit einem Klavier?« fährt der

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