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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Gottes Herde handelt?«
    Bernhardine zögerte. Wenn sie den Namen jetzt aussprach, könnte sie ihn nicht mehr zurücknehmen. Der Gedanke an Désirée fegte jedoch ihre letzten Skrupel beiseite.
    »Um den Bruder meines lieben Gatten«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Graf Gerold von Hallwyl.«

    Besteckgeklapper war das Einzige, was während des Mittagsmahls zu hören war. Weder Johannes noch Gerold schienen darauf erpicht zu sein, eine Konversation mit ihr zu führen. Bernhardine saß vor ihrem Teller und starrte auf die Hasenpastete. Doch weder brachte ihr das Gericht eine Erleuchtung, noch konnte sie einen Bissen zu sich nehmen. Sie war nur durstig. Ihr war, als würde sie innerlich verbrennen. Die Begrüßung zwischen ihr und ihrem Schwager war frostig verlaufen. Sie hatten sich gegenseitig mit schnellen, scharfen Blicken gemustert, als müssten sie ergründen, was der eine vom anderen dachte oder wusste. Der Pfarrer war vor einer Stunde gleich nach ihrer Eröffnung mit wehendem Talar davongeeilt, obschon Johannes ihn zum Essen gebeten hatte. Bernhardine nahm noch einen Schluck Wein. Er schmeckte sauer und ließ einen metallenen Geschmack in ihrem Mund zurück. Ihr schwindelte.
    »Messieurs, entschuldigen Sie bitte, aber mir ist nicht wohl. Wenn es Ihnen recht ist, ziehe ich mich zurück.«
    Bernhardine erhob sich; die beiden Männer ebenfalls. Keiner sprach ein Wort, aber Johannes nickte mit verkniffenem Gesicht. Sie nahm dies als Zeichen dafür, dass sie entlassen war. Mit größter Willensanstrengung durchquerte sie den Speisesaal und wartete, bis der Diener die Flügeltüre geöffnet hatte. Draußen sank sie stöhnend auf einen Sessel nieder.
    Was war nur mit ihr los? Sie befühlte ihre Stirn, die feucht und zugleich heiß war. Also hatte sie wieder Fieber. Das rote Kleid schien ihr auf einmal viel zu eng. Sie konnte kaum atmen, alle Glieder taten ihr weh. Am liebsten hätte sie sich auf dem Stuhl zusammengerollt, um ein wenig zu schlafen. Sie winkte einer vorbeieilenden Magd, die den Herren den Nachtisch brachte.
    »Geh, hol die Marie! Schnell!«
    Bernhardine liefen die Tränen über die Wangen. Sie durfte jetzt nicht krank werden. Sie brauchte ihre ganze Kraft für den Kampf gegen Gerold. Kurze Zeit später hörte sie Schritte auf der Treppe. Marie kam die Stiege herunter. Bei Bernhardines Anblick schlug sie die Hand vor den Mund.
    »Jesses Maria und Josef, Dinchen, du bist ja so weiß wie der Tod!«, stieß sie hervor, lief auf sie zu und half ihr auf die Füße. »Du musst ins Bett, sofort!«

    Ein Klopfen schreckte Marie aus dem Schlaf. Sie war auf dem Stuhl neben Bernhardines Bett eingenickt und rieb sich die Augen. Sie hatte einen Sud aus getrocknetem Thymian, Lindenblüten und Hagebutten zubereitet, dementsprechend roch es im Zimmer wie in einer Hexenküche. Doch Dinchen hatte kaum die nötige Kraft dafür aufgebracht, den Aufguss zu sich zu nehmen. Marie hatte ihr helfen müssen und dabei in ihrem Rachen kleine, rote Punkte bemerkt. Marie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie wagte nicht, »Herein« zu rufen, deshalb stand sie auf und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Die Amme der Zwillinge stand davor. Ihre Augen waren groß wie Suppenteller, und sie rieb sich nervös die Hände.
    »Wenns bitte mal kommen würden. Die Buben … sie … ich weiß nich, aber sie habn so komischs Zeugs im Gsicht und auch an die Ärmchen.«
    Marie warf einen Blick auf Bernhardine, die endlich ruhiger atmete, und nickte.
    »Sofort«, flüsterte sie, griff nach ihrem Schultertuch und folgte der jungen Frau ins Kinderzimmer.
    Der Gestank nach Exkrementen nahm ihr den Atem, als sie durch die Tür trat. Sie warf der Amme einen bösen Blick zu, worauf diese schuldbewusst den Kopf einzog. Marie ging zum Fenster und riss es auf. Eisige Luft schlug ihr entgegen. Sie tat ein paar tiefe Atemzüge und drehte sich dann wieder ins Zimmer. Die Zwillinge lagen apathisch in der Wiege. Ihre Augen glänzten fiebrig, der spärliche Haarflaum war schweißnass.
    »Wann hast du ihnen das letzte Mal die Brust gegeben?«, wandte sie sich an die Amme.
    Diese runzelte die Stirn. »Heut früh, so um die siebn, aber da habns nur e wengerl dran gnuckelt.«
    Marie schüttelte missbilligend den Kopf, sparte es sich jedoch, eine Rüge auszuteilen, weil diese ohnehin nichts nützen würde. Das Mädchen war dumm wie Bohnenstroh.
    »Hilf mir, die Buben aus der Wiege zu nehmen!«, befahl sie.
    Die Amme eilte hinzu und griff nach Burkhardt,

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