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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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einredete, verdrehte er die Augen. Die beiden lachten, der Herr im Anzug klopfte dem Sitznachbarn auf die Schulter und entfernte sich wieder.
    »Das ist der Obermufti hier. Ich kenne ihn«, sagte Valerie und deutete mit dem Kopf auf den Davoneilenden. »Ein richtiger Volltrottel. Dem habe ich einmal ein totes Huhn in den Briefkasten gelegt. Seitdem hält er mich für meschugge.«
    Anouk schaute ihre Großtante entgeistert an. »Warum, in Gottes Namen, hast du das denn getan?«
    Valeries Miene verfinsterte sich. »Er betreibt eine Hühnerfarm und hält sich nicht an die Vorschriften des Tierschutzes. Die Käfige dort haben die Größe einer Postkarte.«
    Anouk verschlug es die Sprache. Keiner hier würde ihren Beobachtungen Glauben schenken. Die hielten sie jetzt vermutlich für genauso verrückt wie Tati Valerie.
    »Aber es war nur ein tiefgekühltes«, fügte ihre Großtante mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, »keine Angst.«
    »Das war der Bühnenleiter«, bestätigte der Sitznachbar Valeries Aussage. »Er wird jemanden mit einem Boot zu der Stelle vor der Schlossmauer schicken. Er hat mir aber noch mal versichert, dass es keinen Aufgang zu den Zinnen gibt. Vielleicht haben Sie sich ja getäuscht.«
    Anouk fror plötzlich und rieb sich die nackten Arme.
    »Ich habe mich nicht getäuscht!«, widersprach sie energisch. »Ich sah eine Frau, die von dort oben hinuntergestürzt ist.«
    Der fremde Mann schaute sie nach wie vor zweifelnd an. Währenddessen wurden die Konzertbesucher langsam unruhig. Einige erhoben sich und riefen, man solle doch weitermachen. Jemand begann zu buhen, und einer warf sogar einen Pappbecher auf die Bühne. Der Intendant lief mit ausgebreiteten Armen auf das Podest, verbeugte sich und erzählte etwas von einem technischen Defekt. Es werde gleich weitergehen, sagte er und verschwand hinter den Kulissen.
    Technischer Defekt? Anouk lächelte bitter. Ein Psychologe hätte das hübscher formuliert. Nach wenigen Augenblicken betrat die aufgeputzte Sängerin wieder die Bühne, und das Konzert wurde fortgesetzt. Jemand reichte Anouk ihre Handtasche, und die Köpfe aller drehten sich wieder nach vorne.
    »Geht’s denn, Schatz?«, flüsterte ihre Großtante und beugte sich unauffällig zu Anouk hinüber. »Oder möchtest du lieber nach Hause?«
    »Schon okay, Tati«, presste Anouk hervor. »Ich muss nur mal kurz auf die Toilette, entschuldige.«
    Ihre Großtante nickte. Anouk ging in gebückter Haltung die Stuhlreihe entlang und ignorierte das Geflüster hinter ihrem Rücken. Sie ließ die Waschräume jedoch links liegen, lief am Kartenhäuschen vorbei und drückte auf den Riegel des Eingangstores. Es war nicht verschlossen. Sie huschte hinaus, setzte sich auf eine niedrige Mauer und zündete sich eine Zigarette an.
    Was zum Teufel war da eben passiert? Hatte sie nach der Frauenstimme am Wassergraben, den altmodischen Gedichten, die Tati und die Schülerin rezitiert hatten, jetzt auch noch eine Erscheinung gehabt? Wurde sie langsam verrückt? Sie rauchte in hastigen Zügen und wartete darauf, dass ein Boot zu Wasser gelassen wurde. Doch das einzige schwimmende Objekt war ein Stück Holz, das gemütlich im Burggraben an ihr vorbeitrieb.
    Es würde niemand mehr kommen, um nachzusehen. Valerie Morlots Taten warfen ihre Schatten. Anouk begann zu lachen, obwohl ihr eher zum Weinen zumute war. Dann straffte sie die Schultern. Sie musste eben selbst aktiv werden! Auch wenn am Horizont nur noch ein blasser Lichtstreif schimmerte, würde eine Frau in einem roten Kleid doch sicher im Wasser zu erkennen sein. Riesige Scheinwerfer strahlten die Schlossmauern an verschiedenen Stellen an. Wenn sie Glück hatte, wäre dort, wo sie die Springerin vermutete, einer angebracht.
    »Danke fürs Warten … das wäre aber nicht nötig gewesen.«
    Anouk erschrak. Die Zigarette fiel ihr aus der Hand und brannte ein Loch in ihr Cocktailkleid.
    »Mist!« Sie sprang auf und schlug hektisch auf den kokelnden Stoff. »Musst du mich denn so erschrecken, Max?«
    Er trug einen dunklen Anzug und machte ein zerknirschtes Gesicht. Seine Haare glänzten feucht, als wäre er gerade erst aus der Dusche gekommen. Sie konnte sein Aftershave riechen: Zimt und Sandelholz. Er hob entschuldigend die Hände.
    »Verzeih, ich dachte, du würdest hier auf mich warten.«
    »Warum sollte ich das tun?«, entgegnete sie süffisant. »Du bist doch bloß der Arzt meiner Großtante.«
    Max senkte seinen Blick und fixierte den Kiesboden zu seinen

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