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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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angebracht worden war, um tollpatschige Touristen vor einem Absturz zu bewahren. Nur ein Dummkopf würde auf die Idee kommen, sich dem Schloss von dieser Seite aus zu nähern. Und davon gab es nun gleich zwei: ein arbeitsloses Fotomodell und einen Theater spielenden Dorfarzt.
    »Pass bloß auf, dass du nicht stolperst!«, warnte Max, der vorsichtig in den Abgrund spähte.
    Anouk enthielt sich einer sarkastischen Bemerkung und suchte die Wasseroberfläche ab. Nichts! Weder ein rotes Kleid noch ein treibender Körper. Im Schlossgraben gab es so gut wie keine Strömung. Er führte während der Sommermonate nur wenig Wasser. Wenn also jemand in ihn hineingefallen war, konnte er nicht einfach so weggeschwemmt worden sein. Weiter unten zog der Aabach, der das ganze Gemäuer umfloss, an einer Mühle vorbei, die früher zum Schloss gehört hatte. Beim Vorbeigehen hatte Anouk einen eisernen Rechen bemerkt, der Treibholz und schwere Gegenstände vom Mühlrad fernhielt.
    »Der Rechen!«, riefen Max und Anouk gleichzeitig und fingen dann schallend an zu lachen.
    »Das ist es«, sagte Max, »wenn etwas in den Schlossgraben gefallen ist, muss es dort festhängen.«
    Anouk blieb das Lachen im Hals stecken. Etwas? Er hatte nicht von einem Menschen gesprochen. Glaubte er ihr etwa nicht? Und hatte sie tatsächlich eine Frau gesehen? Sie war sich plötzlich nicht mehr so sicher. Aber die Gestalt hatte ihr doch zugewinkt. Und sogar dabei gelächelt. Das konnte unmöglich ein Schatten oder eine Spiegelung gewesen sein. Anouk strich sich müde eine Locke aus der Stirn und berührte dabei ihre Narbe. Ob das die Spätfolgen des Unfalls waren? Flatterte irgendeine Synapse wie ein loses Segel in ihrem Gehirn herum und versuchte krampfhaft, wieder einen Kontakt herzustellen? Konnte sie deshalb Traum und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderhalten?
    »Alles in Ordnung?«
    Max berührte behutsam ihre Schulter. Zuerst wollte Anouk seine Frage einfach bejahen, doch sie entschied sich dagegen. Was nutzte es, ihm etwas vorzumachen? Er war Arzt, vielleicht litt sie ja wirklich an einem posttraumatischen Unfallsyndrom, und er konnte ihr helfen.
    »Denkst du, ich bin verrückt?«, fragte sie unsicher, und Max räusperte sich leise. »Ein einfaches ›Nein‹ hätte es auch getan«, versuchte Anouk zu scherzen.
    »Hör zu, Anouk! Ich bin kein Psychiater und auch kein Neurologe. Deine Großtante hat mir von dem Unfall deiner Freundin erzählt und …«
    »Toll!«, unterbrach sie ihn unwirsch. Was fiel ihrer Großtante denn nur ein, mit Max über den Crash zu reden? Das ging niemanden etwas an! Anouk spürte Wut in sich aufsteigen. »Was hat sie sonst noch so alles ausgeplaudert? Dass ich Drogen nehme? Eine Alkoholikerin bin und auf Sadomaso stehe?«
    Ihre Stimme hatte einen harten Klang angenommen, und sie bereute es zutiefst, Max überhaupt etwas von ihren Problemen erzählt zu haben.
    Statt einer Antwort griff er fest nach ihrem Arm und riss sie zu sich herum.
    »So, jetzt reicht’s mir aber langsam! Alles, was ich sage oder mache, ziehst du entweder ins Lächerliche oder schnappst danach wie eine Klapperschlange nach der Maus. Ich habe echt die Schnauze voll von deinem Verhalten! Ich finde dich anziehend, und du hast etwas im Kopf. Eine Mischung, der ich nur schwer widerstehen kann, aber alles hat seine Grenzen. Entweder vertraust du mir, oder der Teufel soll dich holen!«
    Er ließ ihren Arm so schnell los, wie er ihn gepackt hatte, als hätte er sich an einem glühenden Eisen verbrannt. Anouk konnte seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, aber sie hörte, dass er heftig ein- und ausatmete.
    »Du findest mich anziehend?« Ihre Wut verpuffte augenblicklich.
    »Ja, verdammt noch mal!«
    »Tolle Wortwahl, Herr Doktor.«
    Als er sich knurrend abwandte, stieg ihr der Duft seines Aftershaves in die Nase. Anouk hörte das leise Glucksen des Wassers in der Tiefe, spürte die warme Luft der Sommernacht über ihre nackte Haut streichen und fühlte sich auf einmal überaus lebendig. Er mochte sie! Ein leichtes Flattern in ihrer Magengegend ließ sie lächeln. Sie hatte sich also nicht getäuscht, dass er ihr Gefühle entgegenbrachte. Und sie? Ging es ihr ähnlich? Wollte sie das überhaupt? Anouk wusste es nicht, sie wusste nur, dass sie ein heftiges Verlangen verspürte, ihn zu berühren.
    Max’ Silhouette hob sich nur schemenhaft gegen die Dunkelheit ab, doch klar genug. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog sein Gesicht zu sich heran. Sie waren

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