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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Füßen. »Ja, genau. Du hast recht. Und auch noch verspätet.«
    Sie hatte ihn offensichtlich verletzt und schämte sich ob ihrer harschen Reaktion. Aber er hatte auch wirklich ein Talent, immer im ungelegensten Moment aufzutauchen.
    Anouk holte tief Luft: »Hör zu, Max, es tut mir leid, dass ich so ungehalten reagiert habe, aber ich bin ein wenig von der Rolle.« Einen Augenblick zögerte sie, dann gab sie sich einen Ruck. »Ich denke, es ist an der Zeit, dir etwas zu erzählen.«

    Mit ausholenden Gesten berichtete Anouk ihm von körperlosen Stimmen, der Erscheinung einer Frau auf den Zinnen und dem unbestimmten Gefühl, dass ihr jemand mit alldem etwas Wichtiges mitteilen wollte. Max hörte ihr stumm zu und ging im Geiste die Artikel in seinem Fachbuch über Unfalltraumata durch. Von syndromalen Störungen wurde darin berichtet, von Übererregungssymptomen wie Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit und Alpträumen. Ob Anouk daran litt? Er war kein Fachmann auf diesem Gebiet, und lediglich anhand eines Buches eine Diagnose zu stellen war weder professionell noch hilfreich für den Betroffenen. Und weshalb wollte er ihr eigentlich helfen? Interessierte sie ihn als Patientin oder als Frau? Du bewegst dich auf mehr als dünnem Eis, dachte er bei sich.
    »Hörst du mir eigentlich zu?«
    Anouk funkelte ihn aus ihren grünen Augen an und stemmte die Hände in die Hüften.
    Max räusperte sich. »Ja, natürlich«, erwiderte er schnell. »Und? Was hältst du davon? Glaubst du mir, oder denkst du vielmehr, dass ich verrückt bin?«
    »Würden Sie bitte etwas leiser sein. Sie stören die Aufführung!«
    Der Kartenkontrolleur war unbemerkt zu ihnen getreten, schüttelte missbilligend den Kopf und enthob Max damit einer Antwort, wofür dieser alles andere als undankbar war. Er hätte auf die Schnelle keine adäquate Antwort auf Anouks Frage gewusst.
    »Selbstverständlich«, sagte er und zog Anouk am Arm vom Eingangsbereich des Schlosses weg. »Komm«, meinte er, »lass uns einfach nachsehen gehen!«

    Stöckelschuhe waren ein Muss in der Zürcher Schickeria, aber für einen dunklen Park ein äußerst ungeeignetes Schuhwerk. Wäre Anouk mutiger gewesen, hätte sie die Riemchensandaletten ausgezogen, aber sie fürchtete sich davor, auf ein Insekt zu treten.
    Atemlos und ohne Pause hatte sie Max von der Frauenstimme, den Versen und der Gestalt auf den Zinnen erzählt. Zuerst hatte sie gesehen, dass er sich das Lachen verbeißen musste, und ihm einen schmerzhaften Boxhieb verpasst, aber mit der Zeit hatte er immer interessierter zugehört und sogar ab und zu eine Zwischenfrage gestellt. Jetzt stolperten sie durch den Park, um die Stelle zu finden, an der die Frau von der Mauer ins Wasser gesprungen war. Ein Boot hatten sie nirgendwo entdecken können, weshalb Anouk den Intendanten in Gedanken verwünschte.
    Obwohl ein Fußweg um das ganze Schloss herumführte, bog dieser genau an der Stelle in die angrenzende Wiese ab, wo die Zinnenwandlerin auf der Mauer gestanden haben musste. Das Konzert war immer noch in vollem Gange. Die Musik sprühte in die Sommernacht hinaus wie ein Springbrunnen aus gewirkten Tönen. Einen Moment dachte Anouk an ihre Großtante und ob sie sich wohl Sorgen um sie machte.
    »Gib mir deine Hand … hier liegt ein umgestürzter Baum.«
    Max streckte den Arm aus, und Anouk tastete nach seinen Fingern. Er hatte einen festen Griff und zog sie mühelos über den Baumstamm. Sie spürte ein Kribbeln im Bauch und räusperte sich.
    »Danke! Das nächste Mal montiere ich mir am besten ein paar Steigeisen.«
    Die Nordfassade des Schlosses wurde von gewaltigen Scheinwerfern angestrahlt. Ihr grelles Licht warf scharfe Schatten an die Außenwand. Deren wenige Fenster wirkten wie tote Augen, abweisend und unheilvoll, als hätten sie ein dunkles Geheimnis zu hüten. Anouk konzentrierte sich auf das unwegsame Gelände. Am Südportal, hinter dem das Konzert stattfand, waren die Lichter ausgeschaltet, um die Aufführung nicht zu stören, und nur ein blasser Widerschein fiel aufs Wasser.
    Sie hatten den ganzen rückwärtigen Teil des Schlosses umrundet; Verlies-, Wohn- und den sogenannten Archivturm passiert und standen jetzt gegenüber den Zinnen, auf denen Anouk die Gestalt erblickt hatte. Direkt vor ihnen tat sich der fünf Meter tiefe Schlossgraben auf. Dass sich auf seinem Grund Wasser befand, konnte man nur sehen, wenn man sich nach vorne beugte. An dieser Stelle befand sich auch kein Geländer, wie es entlang des Fußweges

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