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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Zoll von Cornelis’ Brust entfernt war, fallen, als hätte man sie ihr mit der Guillotine abgehackt.
    »Wo ist denn jetzt das Bild?«, nuschelte der Schlossherr und drehte sich dabei im Kreis. »Ich will endlich meine hübsche Gattin bewundern!«
    Bernhardine senkte den Blick. Sie schämte sich zutiefst für ihren betrunkenen Ehemann. Wie konnte er sie vor dem Maler nur so demütigen? Sie eilte auf Johannes zu, der gefährlich schwankte, und fasste ihn am Arm.
    »Monsieur, das Porträt ist noch im Entstehen. Wenn Ihr möchtet, schaut es Euch doch morgen bei hellem Tageslicht an.«
    Sie warf Cornelis einen hilflosen Blick zu. Der Maler lehnte mit verschränkten Armen am Fensterkreuz und beobachtete die Szene mit einem spöttischen Grinsen.
    »Nein! Jetzt!«, zischte Johannes. »Wenn mir dieser crétin schon so lange auf der Tasche liegt, möchte ich sein Geschmiere wenigstens begutachten, wann immer ich will!«
    Er riss sich von ihr los, schwankte auf die Staffelei zu und beugte sich mit zusammengekniffenen Augen vor.
    Auf dem Bild waren bislang lediglich die Umrisse Bernhardines in ihrem roten Kleid zu sehen. Daneben Désirées Silhouette und die Wiege der Zwillinge. Der Hintergrund zeigte einen lichten Blätterwald mit einem glitzernden Wasserfall.
    »Und wo bin ich?« Johannes warf sich in Positur. »Er möge mich in Siegerpose abbilden!«
    Er wandte sich Cornelis zu, der das Gesicht verzog, als hätte er in eine rohe Zwiebel gebissen.
    Bernhardines Knie zitterten. Was wäre gewesen, hätte Johannes die Türe einen Moment später aufgerissen und seine Frau in einer kompromittierenden Situation ertappt? Sie wollte sich diese Schmach gar nicht erst ausmalen. Zu schrecklich war der Gedanke, welche Folgen sich daraus für sie hätten ergeben können. Doch Gott hatte sie gerade noch vor einem leichtsinnigen Fehltritt bewahrt. Sie würde zehn Vaterunser beten und in der Schlosskapelle eine Kerze anzünden.
    »Edler Herr«, ergriff Cornelis das Wort. »Mir wurde ein Porträt der Schlossherrin mit den Kindern in Auftrag gegeben. Solltet Ihr jedoch ein eigenes Gemälde wünschen – und nichts würde ich lieber erstellen, seid Euch dessen gewiss –, dann werde ich Euch mit Freude auf einem feurigen Ross malen. Mit erhobener Schwerthand, in einer prächtigen Uniform und mit blitzenden Augen.«
    Johannes lächelte geschmeichelt und kratzte sich am Kopf. »So sei es, Meister van Cleef!«, erwiderte er besänftigt, zog ein Schnupftuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Dann überlasse ich Ihn nun weiter seinen Studien.«
    Er drehte sich um, und Bernhardine warf dem Maler einen dankbaren Blick zu. Dieser schmunzelte und deutete eine Verbeugung an.
    »Kommt Ihr, Teuerste?« Johannes war stehen geblieben und streckte die Hand nach ihr aus.

    Auf dem Steinaltar der Schlosskapelle brannte eine Talgkerze. Es war bitterkalt. Bernhardine zog den Wollmantel enger um ihre Schultern. In einem Messinggefäß neben der Kanzel schwelte nasses Holz und füllte den kleinen Raum mit beißendem Rauch. Seit einer halben Stunde kauerte sie auf dem hölzernen Kniebrett der Bank und versuchte zu beten. Der gekreuzigte Heiland an der Wand hatte den Kopf gesenkt, doch Bernhardine beschlich das Gefühl, dass er sie beobachtete. Zu Recht! Sie war unkeusch gewesen. In Gedanken und, wenn Johannes nicht ins Zimmer gekommen wäre, vermutlich auch in Taten.
    Über Nacht war Föhn aufgekommen. Der warme Südwind ließ den angehäuften Schnee im Schlosshof schmelzen und verursachte ihr Kopfschmerzen. Die Sparren der Holzdecke ächzten unter dem Ansturm der Böen. Irgendwo klapperte ein loser Fensterladen in unregelmäßigem Rhythmus.
    Cornelis van Cleef! Bernhardine seufzte und presste die Hände noch stärker gegeneinander. Sie fieberte jeder Sitzung mit ihm entgegen und konnte ihre Enttäuschung an den Tagen, an denen das Licht zum Malen zu schwach war und sie ihn nicht zu Gesicht bekam, kaum verbergen. Und doch durfte sie sich nichts anmerken lassen. Sie war verheiratet – ihre dummen Träumereien nicht statthaft. Doch wie riss man sich einen Traum aus dem Herzen? Marie hatte sie schon mehrmals mit gerunzelter Stirn gemustert, wenn sie von den Porträtsitzungen zurückgekommen war. Ob sie etwas ahnte?
    Bernhardines Knie fingen an zu schmerzen, und sie verlagerte ihr Gewicht etwas zur Seite.
    »Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe …«
    Die Kapellentür flog auf. Ein

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