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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Kribbeln im Nacken und schlug nach dem vermeintlichen Insekt. »Was für ein entzückendes Kostüm!«, rief der Mann begeistert. Er griff nach dem Kleid ihrer Großtante und prüfte den Stoff zwischen seinen Fingern. »Ist das ein Original?«
    »Also bitte, Herbert«, schnaubte Valerie und riss ihm das Gewebe aus der Hand. »Als Nächstes schnüffelst du noch daran.« Der Gerügte lachte schallend und zeigte dabei ein strahlendes Gebiss, das zu weiß und zu regelmäßig war, um noch sein eigenes zu sein. »Darf ich dir Doktor Sandmeier vorstellen, meinen Hausarzt?« Und an Max gewandt: »Dieser stattliche Mann hier ist ein Jugendfreund von mir. Professor Herbert Rufli. Er beschäftigt sich …«, sie brach ab und runzelte nachdenklich die Stirn. »Womit beschäftigst du dich eigentlich? Ach, egal.« Danach schob sie Anouk in sein Blickfeld. »Und meine Großnichte kennst du ja sicher noch. Sie und ihre Schwester haben dich früher immer Herr Adebar genannt. Weißt du noch?«
    Anouk erinnerte sich jetzt wieder an den Professor, den Kurator aus dem Seetal. Sie lächelte zu ihm hoch und gab ihm die Hand. Ebenso Max, der ihn gleich in ein Gespräch über eine geplante Bilderausstellung im Schloss verwickelte.
    »Immer noch ein schöner Mann, nicht wahr?«, flüsterte Valerie, hakte sich bei Anouk ein und sah den beiden Männern nach, die sich Richtung Wassergraben entfernten. »Schade, dass seine Frau noch lebt. Ansonsten …« Sie wiegte den Kopf hin und her und schnalzte mit der Zunge.
    Anouk hob amüsiert die Augenbrauen. Sie hätte nicht gedacht, dass ihre Großtante noch romantische Gefühle für einen Mann hegte. Doch bei dem Gedanken, wie sie und der Kurator … Nein, sie schüttelte sich, so weit wollte sie ihrer Fantasie lieber keinen freien Lauf lassen.

Du warst in deinem Geist gewiss,
sie nicht auf ewig zu verlieren.
Gott würde sie im Paradies
dir wieder wissen zuzuführen.

    Anouks Magen rebellierte, und ein bitterer Geschmack stieg ihr die Kehle hinauf. Sie begann zu würgen, beinahe hätte sie sich erbrochen. Sie packte Valeries Arm.
    »Was für Verse sind denn das nun wieder? Wieso redest du ständig in Rätseln?«, zischte sie. Die Umstehenden wandten die Köpfe. »Ich finde das nicht komisch, Tati. Echt nicht!«
    »Aua! Lass meinen Arm los, Anouk! Du tust mir weh.« Ihre Großtante verzog den Mund. »Es ist doch nichts dabei, wenn ich Herbert attraktiv finde.« Sie riss sich von Anouk los und rieb sich den Unterarm. »Mein Gott, gerade von dir hätte ich etwas mehr Verständnis erwartet. Heutzutage ist man doch nicht mehr so prüde.«
    Valerie schüttelte missbilligend den Kopf.
    »Das meinte ich doch gar nicht«, fauchte Anouk, »ich meinte die Verse.« Ihre Stimme zitterte. »Diese verdammten Verse!«
    »Achte auf deine Wortwahl, mein Fräulein«, erwiderte ihre Großtante tadelnd. »Eine Dame flucht nicht! Des Weiteren habe ich keine Ahnung, wovon du überhaupt sprichst.«
    Anouk sah sie entgeistert an. Ihrer Großtante war also auch dieses Mal nicht aufgefallen, dass sie in Reimen gesprochen hatte? Was ging hier vor? Und wieso war Max nicht da? Es war zum Verrücktwerden! Er hatte an ihrem Bericht über die Stimmen gezweifelt, das hatte sie deutlich gemerkt, jetzt hätte er sich selbst von der Wahrheit ihrer Worte überzeugen können. Oder war sie etwa die Einzige, die diese Verse hörte? Ihr schwindelte bei diesem Gedanken. Wenn ja, bedeutete das, dass sie tatsächlich geistesgestört war.
    Sie ließ ihre Großtante einfach stehen und schlängelte sich durch die Konzertbesucher bis zum Wassergraben. Weiter vorne entdeckte sie das silberne Haupt des Kurators, neben ihm stand Max. Die beiden diskutierten angeregt und hielten jeder ein Glas Weißwein in der Hand.
    »Ich muss dich sprechen«, flüsterte Anouk ihm eindringlich zu, als sie sich zu den Männern durchgekämpft hatte. Sie nahm dem verblüfften Max das Glas aus der Hand und reichte es Professor Rufli. »Meine Großtante hat Durst.« Dann zog sie Max am Ärmel durch die Menschenmenge. Unter den Eichen blieb sie stehen und ließ ihn los. Eine Haarsträhne hatte sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst, energisch strich sie sie hinters Ohr.
    »Ich mag selbstbewusste Frauen ja durchaus«, sagte Max lächelnd, »aber was sollte das eben?«
    »Es ist schon wieder passiert!«
    Max riss die Augen auf. »Du hast eine weitere Gestalt gesehen?«
    Anouk schüttelte den Kopf. »Nein, aber weitere Verse gehört. Irgendetwas vom Paradies und vom

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