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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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haben musste. Während Cornelis’ Zunge ihren Mund erkundete, dachte sie, dass sich jetzt entweder gleich der Höllenschlund oder aber die Himmelspforte öffnen müsse. Niemals zuvor, nicht einmal in ihren wildesten Träumen, hatte sie nur annähernd ein solches Gefühl gehabt, wie es sich jetzt ihres Körpers bemächtigte. Ihr war kalt und heiß zugleich. Ihre Glieder wurden schwer, und doch glaubte sie zu schweben. Ihr Herz hämmerte wild in der Brust, aber gleichzeitig breitete sich eine Mattigkeit in ihr aus, als hätte sie tagelang geschlafen. Nie wieder würde sie in Johannes’ Arme zurückkehren. Nie und nimmer. Eher würde sie sterben!

    Marie hetzte über den Schlosshof und stieß die Tür zur Küche auf. Neben der Kochstelle, in der noch ein paar Stücke Kohle glühten, stand der Küchenjunge und kratzte Angebranntes aus einem rußigen Topf. Dahinter hockte eine Magd auf einem Schemel und rupfte ein Huhn. Bei Maries Eintreten drehten sich ihre Köpfe nach der Ankommenden.
    »Schnell«, rief sie, »bringt Essig, warmes Wasser und trockene Tücher!« Die Bediensteten wechselten einen Blick. »Habt ihr nicht gehört? Faules Pack! Die Tochter des Herrn ist krank. Macht vorwärts!«
    Die Magd warf das halb gerupfte Huhn auf den Küchentisch, stand auf und wischte sich die Hände an ihrer fleckigen Schürze ab. Der Küchenjunge ließ den Topf fallen, der mit einem metallischen Scheppern auf den Boden knallte, und schwenkte den großen Kessel über die Kochstelle. Er warf ein paar Holzscheite in die Glut und stocherte mit einem Eisen darin herum, bis die Flammen züngelten.
    Marie setzte sich an den Küchentisch und wischte sich müde über die Augen. Dédée hatte hohes Fieber und sprach im Delirium. Die Essigsocken würden hoffentlich helfen, es zu senken. Sie war keine Heilkundige, wusste aber, dass es ernst um die Kleine stand. Bernhardine war nicht in ihrem Zimmer gewesen, als sie vorhin noch einmal zaghaft an deren Tür geklopft hatte. Marie hatte einen Verdacht, wo sich ihr ehemaliges Ziehkind befand, hoffte aber, sich zu irren. Dinchen konnte doch nicht wirklich so dumm sein und ihrer Schwärmerei für den Holländer nachgeben. Aber Frauen neigten schon seit jeher zur Kopflosigkeit, wenn es um Gefühle ging. Genau wie das Huhn, das halbnackt vor Marie auf dem Tisch lag.
    Wenn nur ein Arzt hier wäre. Aber der nächste weilte im Kloster Baldegg, das einen Tagesritt, bei dem vielen Schnee vermutlich sogar zwei, entfernt lag. Ob sie Johannes von Hallwyl wecken sollte? Oder seinen Bruder? Aber Ersterer lag betrunken in seinem Bett, und vor dem anderen fürchtete sie sich. Sein stechender Blick war ihr unheimlich. Sie hatte auch das vage Gefühl, dass er Bernhardine und den Kindern nicht wohlgesinnt war.
    Dinchen hatte ihr von Gerolds Besuch und seinem kuriosen Gebaren von vor drei Jahren erzählt. Marie erinnerte sich noch, wie ihr ehemaliges Stillkind auf ihren Ratschlag hin, einen Druidenfuß um sein Bett herum zu zeichnen, damals in schallendes Gelächter ausgebrochen war. Aber Marie wusste genau, wie Schwarze Magie angewandt wurde und mit welchen teuflischen Sprüchen man Unheil heraufbeschwören konnte. Gott sei Dank war Désirée gesund zur Welt gekommen! Sie hatte der Kleinen gleich nach der Geburt ein schützendes Amulett mit einem Bergkristall angefertigt und ihr später, als sie zwei Jahre alt gewesen war, eingeschärft, dass sie diesen zu ihrer Sicherheit immer bei sich tragen sollte. Er würde bei Gefahr aufleuchten und sich erwärmen. Sicher war sicher!
    Die zweite Schwangerschaft hatte Bernhardine problemlos hinter sich gebracht. Es konnte aber nicht schaden, wenn sie nächstens die Kinderzimmer mit Rosmarin ausräuchern und bei abnehmendem Mond ein schwarzes Band knoten würde. Gerold von Hallwyl hatte allen Grund, die Nachkommen seines Bruders zu hassen, die in der Erblinie vor ihm standen. Gleich ob Herr oder Knecht, Neid und Habgier hatten schon so manchen zu abscheulichen Taten verleitet.
    Der Küchenjunge trat mit einem Eimer dampfenden Wassers an den Tisch, die Magd gesellte sich mit einem Arm voller Tücher dazu und griff nach der Essigkaraffe.
    »Dann kommt«, sagte Marie und erhob sich ächzend. »Und betet für die Kleine!«

    »Wir dürfen das nicht.«
    Sie versuchte, Cornelis’ Hände abzuschütteln. Doch der Maler schien seine Finger plötzlich überall zu haben. Bernhardine trat einen Schritt zurück. Sie atmete heftig. Ihr Busen, den Cornelis schon fast aus dem Mieder befreit

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