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Die Frau in Schwarz

Die Frau in Schwarz

Titel: Die Frau in Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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nach meinem Handgelenk fasste und es fast schmerzhaft umklammerte. Ich blickte in sein Gesicht und war sicher, dass er gleich in Ohnmacht fallen oder irgendeine Art von Anfall erleiden würde. Verzweifelt schaute ich mich auf der verlassenen Straße um und wusste nicht, ob ich um Hilfe rufen oder an wen ich mich wenden sollte. Die Männer vom Bestattungsinstitut waren gegangen. Hinter mir befand sich nur eine Schulklasse kleiner Kinder und eine todkranke Frau unter großer seelischer und körperlicher Belastung, und neben mir ein Mann, der dem Zusammenbruch nahe war. Die einzige andere Person, die ich möglicherweise erreichen könnte, war der Geistliche in irgendeinem Winkel seiner Kirche. Aber wenn ich ihn holen wollte, müsste ich Mr. Jerome allein lassen. »Mr. Jerome, könnten Sie meinen Arm nehmen … ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie Ihren Griff ein wenig lockern würden … wenn Sie ein paar Schritte Richtung Kirchweg machen könnten … ich habe dort, in der Nähe vom Eingang, eine Bank gesehen. Dort könnten Sie sich ausruhen, während ich Hilfe hole … einen Wagen …«
    »Nein!«, kreischte er.
    »Aber guter Mann!«
    »Nein. Ich muss mich entschuldigen …« Er bemühte sich, tief und regelmäßig zu atmen, und nach und nach kehrte ein wenig Farbe in sein Gesicht zurück. »Es tut mir leid. Es war nichts … ein vorübergehendes Schwindelgefühl … Es wäre das Beste, wenn Sie mich zu meiner Kanzlei in der Penn Street beim Marktplatz begleiten könnten.«
    Er war erregt und wollte offenbar nur eines: von Kirche und Friedhof wegkommen.
    »Sind Sie sicher …?«
    »Ganz sicher. Kommen Sie«, entgegnete er und begann, rasch vor mir herzugehen, so schnell, dass er mich überrumpelte und ich ein paar Schritte rennen musste, um ihn einzuholen. Bei dieser Geschwindigkeit dauerte es nur wenige Minuten, bis wir wieder auf dem Platz eintrafen, auf dem reges Markttreiben herrschte und wir von den lauten Stimmen der Auktionatoren, Verkäufer und Kauflustigen und dem Blöken und Meckern und Grunzen und Wiehern und Gackern von Tieren umgeben waren. In dem Gedränge und Lärm fühlte sich Mr. Jerome offensichtlich langsam besser, und als wir den Eingang zum GIFFORD ARMS erreichten, war ihm die Erleichterung deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Wenn ich recht unterrichtet bin, werden Sie mich später zum Eel Marsh House bringen«, sagte ich, nachdem ich ihn zum Mittagessen eingeladen, er aber abgelehnt hatte.
    Sein Gesicht erstarrte erneut, und er sagte: »Nein, ich werde nicht dorthin gehen. Sie können jederzeit nach ein Uhr hinüberfahren. Keckwick wird Sie abholen. Er war immer der Verbindungsmann zu dem Anwesen. Ich nehme an, Sie haben einen Schlüssel?«
    Ich nickte. »Ich werde Mrs. Drablows Papiere zusammensuchen und versuchen zu ordnen. Aber ich vermute, dass ich morgen noch einmal hinübermuss, möglicherweise auch noch übermorgen. Vielleicht kann mich Mr. Keckwick früh am Morgen hinbringen, dann würde ich den Tag über bleiben? Ich werde mich dort schon zurechtfinden.«
    »Sie werden sich nach den Gezeiten richten müssen. Keckwick wird es Ihnen erklären.«
    »Andererseits«, sagte ich, »wenn es so aussieht, als würde es länger dauern, als ich erwarte, übernachte ich möglicherweise einfach in dem Haus. Hätte da irgendjemand etwas dagegen? Es erscheint mir unnötige Mühe, wenn dieser Mann meinetwegen hin- und herfahren muss.«
    »Ich glaube«, entgegnete Mr. Jerome bedächtig, »es wäre für Sie angenehmer, hier zu übernachten.«
    »Nun, die Wirtsleute haben mich wirklich freundlich aufgenommen, und das Essen ist erstklassig. Sie könnten recht haben.«
    »Ganz bestimmt.«
    »Solange es keine zu großen Umstände macht.«
    »Sie werden feststellen, dass Mr. Keckwick sehr zuvorkommend ist.«
    »Gut.«
    »Allerdings nicht sehr gesprächig.«
    Ich lächelte. »Oh, ich bin gerade dabei, mich an diese Eigenart zu gewöhnen.«
    Nachdem wir uns die Hand geschüttelt hatten, begab ich mich zum Mittagessen mit etwa vier Dutzend Landwirten. Es war eine vergnügte und ziemlich laute Angelegenheit. Alle saßen an rustikalen Holztischen mit langen weißen Tischdecken und riefen einander kreuz und quer zu, wie ihre Geschäfte auf dem Markt gelaufen waren, während die sechs Mädchen, die bedienten, Platten mit Rinder- und Schweinebraten, Terrinen mit Suppe, riesige Schüsseln mit Gemüse und Kannen mit Soße auftrugen und gleich ein Dutzend Bierkrüge auf einmal auf großen Tabletts

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