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Die Frau in Schwarz

Die Frau in Schwarz

Titel: Die Frau in Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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anschleppten. Obwohl ich glaubte, niemanden unter den Gästen zu kennen, und mich ein wenig fehl am Platz fühlte, vor allem wegen meines dunklen Anzugs zwischen all dem Tweed und Kord, unterhielt ich mich bestens – was sicherlich auch daran lag, dass die Fröhlichkeit hier eine angenehme Abwechslung zu den etwas eigenartigen Ereignissen des Vormittags bot.
    Ein großer Teil der Gespräche, nämlich wenn es um Gewichte und Preise, Erträge und Züchtungen ging, war wie eine Fremdsprache für mich. Aber es machte mir trotzdem Spaß zuzuhören, während ich das ausgezeichnete Essen genoss. Als mein Nachbar zur Linken einen riesigen Cheshirekäse an mich weitergab und mir bedeutete, ich solle mich bedienen, fragte ich ihn, wie die Versteigerung verlaufen sei, die im Gasthaus stattgefunden hatte.
    Er verzog das Gesicht. »Wie erwartet, Sir. Wart auch Ihr an dem Anwesen interessiert?«
    »Nein, nein, der Wirt erwähnte sie lediglich vergangene Nacht, und soviel ich verstanden habe, war es ein sehr bedeutendes Objekt.«
    »Mehrere Morgen. Gut die Hälfte des Landes auf der Homerbyseite von Crythin und mehrere Kilometer östlich davon ebenfalls. Es waren vier Höfe.«
    »Und ist das Land hier wertvoll?«
    »Manches, Sir. Das heute versteigerte war es. In einem Gebiet, wo so viel Land unbrauchbar ist, da es sich um Marschen und Salzebenen handelt, bei denen selbst eine Trockenlegung nicht viel bringt, ist gutes Ackerland wertvoll, jeder Quadratzentimeter. Es gibt jetzt so manchen enttäuschten Interessenten hier.«
    »Gehören Sie zu ihnen?«
    »Ich? Nein. Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe, und selbst wenn ich es nicht wäre, würde es nichts nützen, weil mir das nötige Geld fehlen würde, meinen Besitz zu vergrößern. Außerdem bin ich nicht so dumm, gegen einen wie ihn zu steigern.«
    »Sie meinen den erfolgreichen Käufer?«
    »Ja.«
    Ich folgte seinem Blick, zu einem anderen Tisch. »Ah, Mr. Daily!« Denn dort, am hinteren Ende saß mein Reisegefährte der vergangenen Nacht. Er hielt einen Krug hoch und schaute sich mit zufriedener Miene um.
    »Sie kennen ihn?«
    »Nein, ich bin ihm nur flüchtig begegnet. Ist er ein Großgrundbesitzer hier?«
    »Ja.«
    »Und deswegen unbeliebt?«
    Mein Nachbar zuckte die breiten Schultern und schwieg.
    »Nun«, sagte ich. »Wenn er das halbe Land aufkauft, werde ich vielleicht selbst noch in Geschäftsverbindung mit ihm treten, ehe das Jahr zu Ende ist. Ich bin der Anwalt und Nachlassverwalter der kürzlich verstorbenen Mrs. Alice Drablow von Eel Marsh House. Es ist durchaus möglich, dass auch ihr Besitz bald zum Verkauf steht.«
    Einen Augenblick lang schwieg mein Nachbar, während er Butter auf eine dicke Scheibe Brot strich und große Stücke Käse darauf legte. Die Uhr an der Wand uns gegenüber zeigte halb zwei an. Da ich beabsichtigte, mich noch umzuziehen, bevor Mr. Keckwick kam, stand ich auf und wollte mich gerade entschuldigen, als mein Nachbar doch noch den Mund öffnete. »Ich glaube, nicht einmal Mr. Daily würde so weit gehen«, sagte er ruhig.
    »Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht. Ich habe Mrs. Drablows Grundbesitz noch nicht gesehen, doch soviel ich weiß, gehört ein Hof, ein paar Kilometer außerhalb von Crythin Gifford …«
    »Hoggetts!«, sagte er abfällig. »Zwanzig Hektar, davon steht gut die Hälfte während des größten Teils des Jahres unter Wasser. Außerdem ist es auf Lebenszeit verpachtet.«
    »Da ist auch noch Eel Marsh House mit allem Grund rundum. Würde sich denn da eine Bewirtschaftung lohnen?«
    »Nein, Sir.«
    »Nun, könnte Mr. Daily sich nicht einfach dafür interessieren, nur um seinen Besitz zu vergrößern? Sie deuteten doch an, dass er diese Art von Mann ist.«
    »Vielleicht.« Mein Nachbar wischte sich den Mund an seiner Serviette ab. »Aber ich möchte wetten, dass Sie niemanden finden werden, nicht einmal Mr. Daily, der damit zu tun haben möchte.«
    »Darf ich fragen, warum nicht?« Ich schlug einen etwas schärferen Ton an, weil ich allmählich genug von den vagen Andeutungen und dem finsteren Getue erwachsener Männer bei der Erwähnung von Mrs. Drablow und ihrem Besitz hatte. Es schien in der Tat genau die Art von Gegend zu sein, wo Aberglaube und Klatsch zu Hause und offenbar stärker als der gesunde Menschenverstand waren. Ich erwartete, dass sich dieser ansonsten vernünftig und beherzt wirkende Landwirt zu meiner Linken in geflüsterten Andeutungen ergehen würde, dass er so allerlei erzählen könnte, wenn

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