Die Frau mit dem Hund
mein Kind.
Am Morgen eines strahlend schönen Sonnentags hatte Pola noch einen letzten Strauà Akeleien und Jakobsleitern zum Friedhof gebracht. Von allen Blumen waren Matilde blaue Akeleien und Jakobsleitern am liebsten gewesen und Taglilien, die sich in ihrem Garten unaufhörlich vermehrten.
Danach hatte Pola sich aufgemacht und war zwischen den Feldern, die bis zum Horizont reichten, in Richtung Stadt gegangen.
Bei dem Gedanken an die Felder drehte sich ihr der Kopf, und ihr wurde leicht übel, aber jetzt, am Fenster, war nicht die Zeit, darüber nachzudenken, was sie auf ihrem Weg durch die Felder erlebt hatte, am liebsten nie mehr würde sie daran denken, aber sie wurde das Bild nicht los, wie Zsazsa die Haare am Nacken aufgestellt hatte, wie sie grollte und zum Sprung ansetzte, die Zähne fletschte und wie sie sich später winselnd ganz platt auf den Boden drückte, Pola wollte daran jetzt nicht denken, weil Angst nicht hilft; sie machte eine rasche Handbewegung vor ihren Augen, um das Bild ihres Hundes zu vertreiben, der halb tot und ganz platt auf dem Boden lag, weil sie jetzt darüber nachdenken musste, wie es weiterging.
Abramowski hatte gewartet, bis er dachte, dass Pola ihre Lage halbwegs erfasst hätte, und dann sagte er:
Als du geschlafen hast, habe ich mir den DachÂboden angesehen. Da ist das Schloss defekt.
Und, sagte Pola.
Er ist riesig. Erstreckt sich über mehrere Hauseingänge.
Das klingt gut, sagte Pola vorsichtig.
Und was den Hund betrifft, sagte Abramowski.
*
Am Abend war die Endausscheidung auf District Channel. »Unser Tanz fürs Oktoberfest«, im Grunde nichts Aufregendes, nur eine Lokalausgabe der groÂÃen Show »Wettbewerb der Kulturen«, wo sie in der Kategorie Tänze Flamenco vorführten oder Sirtaki, den Navajo-Hoop und irgendwelche Maori-Tänze; heute Abend war es mehrere Nummern kleiner und weniger bunt, aber das Oktoberfest auf der Meile gehörte nun einmal zu den besten Herbstevents im ÂDistrikt, Jule Tenbrock freute sich schon seit Wochen darauf, und Vorfreude ist die schönste Freude, auÃerdem hatte Yvis Steppgruppe ganz gute Chancen, unter die ersten drei zu kommen und sich einen Auftritt beim Fest zu ergattern.
Vergiss nicht, heute Abend für uns zu voten, hatte Yvi ihr eingeschärft.
Es war Jules Obsttag, sie hatte sich ein Glas Sanddornsaft angerührt und es sich mit einem Florida-ÂSalat auf dem Sofa gemütlich gemacht und hätte vor der Sendung gern noch die Angebotsinfos durchÂgeblättert; bloà lag seit Tagen keine Angebotsinfo mehr unten an der Treppe. Der neue Hausdienst, als Jule ihn angerufen und nach den Infos gefragt hatte, wollte nicht zuständig sein.
Tut mir leid, liebe Frau Tenbrock, hatte er gesagt, aber da wasche ich meine Hände in Unschuld, die Angebotsinfos fallen nicht in den Hausdienstbereich, das ist Sache der Supermärkte; die haben ihre eigene Ausliefertruppe, vielleicht sollten Sie mal bei denen nachfragen.
Jule war an den Empfangstresen im Super-K gegangen und hatte nachgefragt, aber da hatten sie nur auf ihre Lieferliste geschaut und gesagt, dass alle Prospekte ordnungsgemäà ausgetragen worden seien. Manchmal haben die Auslieferer nicht den richÂtigen Wochencode, hatte man ihr gesagt, das kann schon mal passieren, und dann kommen sie natürlich nicht ins Haus hinein, aber in dem Fall lassen sie die Infos normalerweise vor der Tür liegen, und der Hausdienst nimmt sie später mit rein, wenn er kommt, und legt sie an die Treppe.
Das mit den Angebotsinfos hatte Jule schon von Anfang an auf die Palme gebracht, weil sie einstÂweilen noch ihre Nachbarschaftsabende bei Frau da Rica hatte, und da hätten beide schon am Vorabend gern durchgesehen, was sie am nächsten Tag haben wollte, es war ohnedies schwierig mit Frau da Rica; sie hatte damals die Darmgrippe abbekommen und etwas an der Niere zurückbehalten, seitdem musste sie salzarm essen, da entfielen also schon einige Menüangebote, und wenn Jule Tenbrock mit ihr nicht durchgehen konnte, was es am nächsten Tag überhaupt an Diätmenüs im Angebot gäbe, fühlte sie sich richtig hilflos.
Statt der Angebotsinfos schaute Jule sich die Nachrichten an. Wegen der Herbstdürre in ganz Europa war die Aussaat der Wintergetreide gefährdet, es hatte einen Hausbrand in einer der vorstädtischen Problemzonen gegeben, der aller Wahrscheinlichkeit nach das
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