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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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Stadtgebiet nicht erreichen dürfte, dennoch war zur Sicherheit die freiwillige Feuerwehr zum Einsatz am Stadtrand zusammengezogen worden. Nur noch mit halbem Ohr hörte sich Jule Tenbrock danach die Berichte über Überschwemmungen in Südostasien an, einen Trainerwechsel beim FC Rhein-Ruhr, die Wetteransage – endlich Regen, der jedoch den Grundwasserspiegel nicht ausreichend ansteigen lassen würde.
    Bei der Brandmeldung fiel ihr die Frau mit dem Hund wieder ein, an die sie an dem Tag nur kurz einmal hatte denken müssen, weil in der Wäscherei einer der Aushilfsnäher erwähnt hatte, dass er jetzt nur noch »Abenteuer Alaska« brauchte, dann hätte er die Abenteuer-Serie komplett.
    Jules Chef sagte, ist das nicht die Sendung mit den Schlittenhunden gewesen.
    Korrekt, sagte der Näher, das ist die, wo die Hun­de­staffel sich notfallmäßig unter Zeitdruck durch Schneestürme und Blizzards kämpfen muss. Auf dem Schlitten haben sie massenhaft Medizin, irgend­ein Serum, und schließlich retten sie mit dem Serum eine ganze Stadt vor der Diphtherie.
    Man stelle sich vor, sagte er voller Achtung für diese Leistung: über tausend Kilometer in hundertdreißig Stunden. Bis heute Weltrekord.
    Balto, sagte Mering. Der Leithund hieß Balto. Das war einmal, setzte er mit betrübter Stimme hinzu. Der Hund kam später dann in den Zoo.
    Bei dem Leithund Balto, der dann in den Zoo gekommen war, war Jule die Frau mit dem Hund wieder eingefallen, und jetzt durch die Brände in Detroit zum zweiten Mal an dem Tag.
    Die Show war dann nicht so besonders, schon weil Lambek sie moderierte. Jule mochte Lambek nicht und hätte sich stundenlang über ihn aufregen können, und die Tänze fand sie auch nicht wirklich den Hit, eine Menge akrobatischer Gymnastikübungen, besseres Aerobic mit Stretching, eben was man so in der Meile lernt, dachte Jule, wenn man seine Punkte zum Fitnessdepot tragen möchte, dann kam eine Musical-Nummer, die über jeden Sender lief, seit Musical-of-the-World das Stück schon nach der Vorpremiere in den Himmel gelobt hatte, außerdem ein paar Folkloretänze, bei denen Jule die Kostüme gefielen. Yvis Steppgruppe hatte einen schlechten Tag, die Performance war kurz vor unterirdisch, und da nach traten zwei auf, die richtig fetzigen Rock ’n’ Roll hinlegten. Jule hatte gerade kürzlich auf dem Aushang im Super-K gelesen, dass in der Hall of Sports neuerdings Rock-’n’-Roll-Kurse angeboten wurden, das schien ein Revival zu werden.
    Sie zog sich ihre Hausschuhe aus und tanzte zwei, drei Minuten mit. Überhaupt tanzte sie für ihr Leben gern, aber es machte keinen Spaß, nur vor der Konsole für sich allein die Schritte auszuführen, und so setzte sie sich bald wieder hin. Schade, dachte sie, dass so was mit Clemens nicht zu machen ist.
    Ganz zuletzt kam noch eine Trachtengruppe auf die Bühne, die Lambek als »unsere« Favoriten fürs Oktoberfest begrüßte. Jule wurde plötzlich ärgerlich. An sich war ihr die Show nicht so wichtig, »unser Tanz fürs Oktoberfest« war ihr nicht so wichtig; wichtig wäre es ihr gewesen, wenn Clemens mit ihr diesen fetzigen Rock ’n’ Roll tanzen würde, aber das würde er nicht tun, und jetzt brachte es sie über­mäßig auf, dass dieser Schnösel von einem Moderator so tat, als ob ein Jost Lambek persönlich zu entscheiden hätte, wer »unser« Favorit ist, dabei war er nicht einmal stimmberechtigt, weil die Leute, die beim Sender arbeiteten, vom Voting ausgeschlossen waren, aber über solche Kleinigkeiten setzte sich Jost Lambek gerne mal hinweg; Jules Favorit wäre der Rock ’n’ Roll gewesen, und zwar mit Clemens, und es hätte sie interessiert, was die Stiftung an Lambek fand, dass sie ihm alles durchgehen ließ, obwohl er in den Umfragen allmählich in den Keller rutschte.
    Jetzt kündigte er mit geheimnisvollem Getue ­einen Tanz an, der im Mittelalter aufgeführt worden sei, als die Leute aus Angst vor der Pest nicht mehr aus den Häusern gingen und das Leben in der Stadt erloschen war, und durch die Tänzer sei es wieder angekurbelt worden.
    Was passt auch besser zu dem bevorstehenden Fest als ein Tanz der Schäffler.
    Jule hatte keine Ahnung, was ein Schäffler war.
    Und wenn Sie jetzt nicht wissen, was ein Schäffler ist, sagte Lambek, macht das gar nichts, man kann

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