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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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ja nicht alles wissen. Schäffler, müssen Sie wissen, waren die Handwerker, die in alten Zeiten die Weinfässer bauten.
    So ausführlich hatte er die anderen Tanzgruppen nicht vorgestellt, also hatte sich hier soeben eine handfeste Publikumsbeeinflussung durch den Moderator vor Jule Tenbrocks wütenden Augen abgespielt, gegen die sich eigentlich jemand hätte wehren müssen, aber das Publikum in der City Hall muckste sich nicht.
    Der Tanz war ziemlich langweilig, die Kostüme hatten wohl mit dem Mittelalter zu tun, und die Musik war scheußlich, es wurden Holzreifen mit Weingläsern durch die Luft geschwungen, die Reifen durften nicht runterfallen, und der Wein durfte nicht verschüttet werden, das war klar, und das kriegten sie auch hin, aber es sah lahm aus und längst nicht so raffiniert wie bei den Hoop-Tänzen der Navajo-Indianer.
    Damit war der Abend für Jule verdorben.
    Anschließend rief sie an und wählte natürlich nicht den Rock ’n’ Roll, sondern die Endziffer 5, weil sie Yvi Schallermann sonst nicht mehr unter die ­Augen treten könnte, und während der Auswertung war ihr einen Moment lang so, als hörte sie ein Geräusch über sich, das nichts mit der Show zu tun haben konnte. Über Jule wohnte keiner, also konnte das nicht sein.
    Sie achtete nicht mehr darauf, weil am Ende der Show ein ziemlicher Wirbel losbrach. Etliche Zuschauer hatten beim Sender angerufen und verlangt, dass die Sieger disqualifiziert werden müssten, weil laut Satzung nur Männer zum Schäfflertanz zugelassen seien, und das sei Diskriminierung und frauenfeindlich.
    Jost Lambek versuchte sich damit herauszureden, dass man die Satzung im Vorfeld der Show Paragraf für Paragraf studiert hatte, wir sind schließlich eine Sendeanstalt, hatte er gesagt, und dann hatte er bemerkt, dass in der Steppgruppe nur Frauen tanzen, da könnte man auch auf Diskriminierung schließen, aber da konterte eine Frau aus Yvis Gruppe, dass das nicht in der Satzung stünde, und Männer seien in der Steppgruppe jederzeit sehr willkommen.
    Ha, sagte Jule zu ihrem Bildschirm, da hast du’s. Sie war unbegreiflich wütend und hätte Lambek auf der Stelle entlassen.
    Die Live-Gäste in der City-Hall johlten und ­trampelten mit den Füßen, und schließlich musste Lambek den Notar holen, der die Schäffler-Truppe tatsächlich disqualifizierte. Es ging ein bisschen hin und her, der Notar versuchte zu schlichten und schlug vor, sie trotzdem als Ehrengäste beim Oktoberfest auftreten zu lassen, weil Weinfässer schließlich von Küfnern hergestellt worden seien, und auf dem Oktoberfest werde seines Wissens Wein fließen, aber zuletzt wurden die Schäffler aus der Wertung genommen, die Sendezeit wurde um eine Viertelstunde überzogen, weil ein zweites Voting nötig war, Jule wählte wieder die Endziffer 5, und jetzt war Yvis Steppgruppe auf Platz 3, nach dem Musical und dem Rock ’n’ Roll, und hatte den Auftritt in der Tasche.
    Diesmal hörte Jule das Geräusch über ihrem Kopf ganz genau. Es klang ein wenig wie leise Schritte. Eher ein Trippeln.
    *
    Pola wartete, bis im Distrikt das Licht ausgeschaltet wurde.
    Punkt zehn Uhr dreißig, hatte Abramowski gesagt, als er ihr seinen Zweitschlüssel und den Code gegeben hatte. Nach halb elf geht hier keiner mehr raus.
    Sie gab noch eine Viertelstunde dazu.
    Der Dachboden war riesig, Pola hatte die Wäscheleinen abgemacht, auf denen die Bewohner früher ihre Sachen getrocknet hatten; unter dem alten Zeug, den Töpfen, dem ganzen Hausrat, der ausgedient hatte und in einer Ecke zu einem Haufen zusammengeschoben war, hatte sie ein paar verfilzte braune Wolldecken gefunden; zusammen mit dem Stapel Werbeprospekte aus dem Treppenhaus dürften die Decken fürs Erste reichen. Der Oktober war warm, sie hatte ein Dach überm Kopf, und bis es kälter würde, fiele ihr etwas ein. Ihr und Timon Abramowski, der ihr zuletzt noch ein paar Teelichter mitgegeben hatte, damit sie nicht im Dustern sitzen und darauf warten musste, bis es soweit war.
    Jetzt würde erst einmal Zsazsa einfallen müssen, wo es etwas zu fressen gab.
    Pola wickelte sich in ihren Mantel und versuchte, auf der Treppe keine Geräusche zu machen.
    Still, Zsazsa, sagte sie, weil der Hund vor Freude an ihr hochsprang und anfangen wollte zu quietschen.
    Draußen nieselte es nur noch ein bisschen. Der Himmel

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