Die Frau mit dem Hund
Hände.
Cholesterin, sagte er und rasselte dann die Schreckenswörter herunter, die zu Eiern nun einmal gehörten.
Blutfett, Industriefett, Salmonellen, Dioxin hörte Jule und sah, wie Abramowski mit der rechten Hand ganz zart und fürsorglich eine kleine schwarze Strähne aus Polas Stirn strich. Pola schaute nach unten, sie war ein bisschen verlegen, aber sie lächelte.
Abramowski und die Frau mit dem Hund, dachte Jule. Sie sah die drei zusammen. Sie sah, dass sie zusammengehörten. Sie sah sie zu dritt, links den Mann, in der Mitte die Frau und rechts davon den Hund. Aber sie sah sie von hinten. Sie gingen weg. Sie entfernten sich. Ganz langsam aus Jules Blickfeld hinaus, und schlieÃlich waren sie verschwunden.
Es war ein schönes Bild, und es machte sie traurig.
Noch immer niemand, der sich traut, sagte Clemens und hielt wieder das Messer mit dem roten Griff und die Zwiebel in die Luft. Freiwillige bitte melden.
Bloà nicht, sagte Luisa da Rica neben Jule und versuchte, sie am Arm festzuhalten, aber Jule schob den Gips beiseite und ging nach vorn.
Ah, eine mutige junge Dame, sagte Clemens, ich bitte um Applaus.
Jule sah ihm geradewegs in die Augen.
Dann schaute sie ins Publikum und fand Timon Abramowski und Pola Nogueira. Beide sahen ihr geradewegs in die Augen.
Jule hatte noch nie eine Zwiebel in der Hand Âgehabt, geschweige denn geschält und geschnitten.
Sie nahm das kleine Messer, schnitt das obere und das untere Ende der Zwiebel ab. Ein beiÃender ÂGeruch stieg ihr in die Nase. Sie fing an zu schälen. Die Zwiebel hatte ziemlich viele trockene braune Häute, danach kamen weichere gelbliche, schlieÃlich noch durchsichtig glitschige, dann erst war die Zwiebel weià und fest.
Nur zu, die Schale muss ab, junge Dame, mal nicht so zaghaft, sagte Clemens, der sicherheitshalber zwei Schritte zurückgetreten war, und im Publikum gab es ein paar glucksende Geräusche. Pola und Abramowski lachten nicht. Das konnte Jule noch sehen, bevor sie gar nichts mehr sehen konnte.
Und nun schön in der Mitte durchschneiden, sagte Clemens. Es klang schadenfroh. Jule schnitt die Zwiebel längs durch und in Halbringe, die Halbringe danach in Stücke, der Geruch stieg ihr durch die Nase hoch in die Augen, er drückte und trieb ihr Tränen aus den Augen, ein Wasserfall lief ihr über das ganze Gesicht, die Tränen tropften auf das Schneidebrettchen mit den Zwiebelstücken, der Geruch, der ihr bis in die Augen gestiegen war, war beiÃend, scharf, betörend, verwirrend, alles auf einmal. Jule legte das Messer mit dem roten Griff beiseite, um ihre Hand an die Nase zu führen, die Hand duftete süÃlich und nicht so scharf wie die Zwiebel selbst, die sie zum Heulen brachte; Jule sog den süÃen Geruch ihrer Hand in die Nase und den scharfen, von dem ihr die Augen überliefen, sie lieà die Tränen laufen, das ganze Schneidebrettchen war schon klitschnass, aber Jule hörte nicht auf, sie machte heulend einfach weiter, schnitt unter Tränen die Zwiebel in kleine Stücke, und als sie fertig war, konnte sie nicht anders. Sie sah irgendwo in der Menge verschwommen ihren Nachbarn und diese fremde Frau; den Mann, der zwei Schritte hinter ihr stand, hatte sie bereits ein für allemal vergessen.
Ein Bravo für die tapfere junge Dame, sagte er, und Jule konnte nicht anders. Tränenüberströmt stand sie in »Grandmaâs Cooking Corner« und musste einfach lachen. Tief von innen heraus und aus vollem Herzen laut lachen, wie sie noch nie in ihrem Leben gelacht hatte. Die Tränen liefen noch immer, als sie wieder neben Luisa da Rica stand, und noch immer wurde sie von diesem Lachen geschüttelt, das ihr tief aus dem Inneren kam, daher, wo die Lust und die Sehnsucht sitzen.
Was ist denn in dich gefahren, sagte Luisa da Rica.
Ich weià auch nicht, sagte Jule Tenbrock, als sie wieder sprechen konnte.
*
Nach dem sonderbaren Auftritt von Timons Nachbarin kam es, wie es immer bei diesen Vorführungen kommt: Der Hygienemann goss Ãl in die Pfanne, erklärte, dass Ãl ein gefährlicher Rohstoff sei, leicht entzündlich, und wie schnell könne durch heiÃes Ãl ein Haus in Brand geraten.
Wir sind hier zum Glück nicht in Detroit, sagte er, und das Publikum lachte.
Dann gab er eine Suppenkelle voll Pufferteig ins heiÃe Fett, das Fett spritzte, der Hygienemann sagte, Vorsicht, heià und fettig, und vor
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