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Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Titel: Die Frau mit dem Muttermal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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sozusagen die Rekonstruktion des Mittwochabend, keine besonders gute Idee war. Als er durch die niedrige Tür in Freddy’s Kneipe trat, saß Enso Faringer bereits am besagten Tisch, und seine Nervosität war durch das ganze Lokal hindurch zu spüren.
    Van Veeteren setzte sich und bot ihm eine Zigarette an, die Faringer annahm und gleich auf den Boden fallen ließ.
    »Nun ja«, begann der Kommissar. »Wenn wir schon hier sitzen, können wir ja auch was essen.«
    »Man dankt.«
    »Also hier haben Sie den Mittwochabend verbracht?«
    Faringer nickte und schob seine Brille zurecht, die offensichtlich dazu neigte, den glatten Nasenrücken hinunterzurutschen.
    »Sie sind Deutschlehrer?«
    »Ja«, sagte Faringer. »Irgendjemand muss das ja auch machen.« Van Veeteren war sich nicht sicher, ob das als Witz gemeint gewesen war.
    »Kannten Sie Maasleitner gut?«
    »Nun … nein.«
    »Aber Sie hatten Kontakt mit ihm?«
    »Sehr sporadisch. Wir haben manchmal ein Bier zusammen getrunken.«
    »Wie am Mittwoch?«

    »Ja, wie am Mittwoch.«
    Van Veeteren saß eine Weile stumm da, um Faringer die Gelegenheit zu geben, etwas aus eigener Kraft zu sagen, aber das war sinnlos. Dessen Blick flackerte hinter den dicken Brillengläsern, er rutschte hin und her und zupfte an seinem Krawattenknoten.
    »Warum sind Sie so unruhig?«
    »Unruhig?«
    »Ja, ich habe den Eindruck, dass Sie sich vor irgendwas fürchten.«
    Faringer lachte ganz kurz auf.
    »Nein, so bin ich immer.«
    Van Veeteren seufzte. Die Kellnerin kam mit der Karte, und sie brauchten ein paar Minuten, um sich für das Tagesgericht zu entscheiden.
    »Worüber haben Sie am Mittwoch geredet?«
    »Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.«
    »Wie bitte?«
    »Es fällt mir nicht mehr ein. Wir haben ein bisschen zu viel getrunken, und danach habe ich ab und zu Gedächtnislücken.«
    »Aber an irgendetwas können Sie sich doch noch erinnern?«
    »Ja, ich weiß noch, dass Maasleitner mich gefragt hat, wie es in der Schule steht … er war da ja in einer kleinen Verlegenheit. Er hat mich um Hilfe gebeten.«
    »Und wie?«
    Faringer kratzte sich am Hals, wo er eine Art Ausschlag hatte. »Ich weiß nicht. Die Augen irgendwie offenhalten … nehme ich an.«
    »Er wollte nicht, dass Sie eingreifen?«
    »Eingreifen? Nein, wie sollte ich denn eingreifen?«
    Nein, dachte Van Veeteren. Das war natürlich ausgeschlossen. Enso Faringer war nicht der Typ, der so etwas tat.
    Das Essen dauerte fünfundvierzig Minuten, obwohl Van
Veeteren sowohl Dessert als auch Kaffee zu sich nahm, und als er wieder draußen im Wagen saß, war er zumindest von einer Sache überzeugt: Faringer hatte die Wahrheit gesagt. Dem kleinen Deutschlehrer fiel ganz einfach nicht mehr ein, welche weltbewegenden Probleme Maasleitner und er am Mordabend gewälzt hatten. Van Veeteren hatte sich außerdem beim Personal von Freddy’s umgehört, und es gab niemanden, der es auch nur im Geringsten sonderbar fand, dass »der kleine Deutsche« keine Erinnerung mehr hatte. Ganz im Gegenteil.
    Das war eben so ein Abend gewesen, ganz einfach.
    Jaha, das war’s dann also, dachte Van Veeteren. Im tiefsten Inneren verspürte er auch ein Quäntchen Dankbarkeit – auf Enso Faringers Bericht konnte er liebend gern verzichten.
    Als er ungefähr auf halbem Weg zum Präsidium war, kam er auf andere Gedanken. Der Regen hatte wieder eingesetzt, und ihm war klar, dass etwas passieren würde, wenn er nicht bald diese verfluchten Scheibenwischer austauschen würde. Gleichzeitig wusste er natürlich, dass in dem Moment, wenn er so ein lächerliches Detail austauschen würde, irgendetwas anderes in die Brüche ginge.
    So war das Auto nun einmal, ganz einfach.
    Es erinnerte ihn ein wenig an das Leben selbst.
    15
    »Warum hast du ausgerechnet Heinemann beordert, etwas über Maasleitners Vorleben herauszufinden?«, fragte Reinhart. »Der ist doch eine langsame Schnecke!«
    »Kann schon sein«, sagte Van Veeteren. »Zumindest ist er gründlich. Wir fangen ohne ihn an. Schenk Kaffee ein, Frau Katz wird noch was bringen«, versprach er.
    »Ausgezeichnet«, sagte Rooth.
    »Fangen wir mit den Ergebnissen der Obduktion und der
Spurensicherung an«, fuhr der Hauptkommissar fort und reichte eine Fotokopie herum. »Da gibt es keine sensationellen Neuigkeiten, will ich mal behaupten.«
    Die sieben Anwesenden lasen die kurzen Berichte. Sie enthielten nur die Bestätigung dessen, was man insgesamt schon wusste – Todesursache, Zeitpunkt (nunmehr präzisiert auf

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