Die Frau mit dem Muttermal - Roman
den Zeitraum 23.45–01.15), Waffe (eine 7,65-Millimeter Berenger, mit 99-prozentiger Sicherheit die gleiche Waffe, wie sie beim Mord an Ryszard Malik benutzt wurde). Fingerabdrücke waren nicht gefunden worden, keine Spur von irgendetwas Außergewöhnlichem, das Metallstückchen, das benutzt worden war, um das Schloss offenzuhalten, war aus rostfreiem Stahl, ein so genanntes Tablett, das es überall zu kaufen gab und dessen Herkunft unmöglich zurückzuverfolgen war.
»Wir haben ebenfalls nichts herausgefunden, was uns weiterbringt«, erklärte deBries. »Wir haben über siebzig Personen vernommen in Nr. 26A und im mittleren Gebäude. Niemand hat irgendwas gesehen oder gehört. Die Lampe über der Tür zu 26B war auch noch kaputt, also wäre es sowieso schwierig, eine Personenbeschreibung zu bekommen.«
»Hat er die auch kaputtgemacht?«, fragte Moreno.
»Vermutlich nicht, ist aber schwer zu sagen. Sie war schon seit sechs Tagen kaputt.«
»Und sonst nichts?«, fragte Van Veeteren.
»Nein«, antwortete Reinhart. »Die Vernehmungsprotokolle stehen zu eurer Verfügung, wenn ihr am Wochenende garantiert todlangweilige Lektüre haben wollt.«
»In Ordnung«, sagte Van Veeteren. »Gute Arbeit.«
»Danke«, sagte deBries.
Die Lagebesprechung verlief auch weiterhin hauptsächlich in der gleichen Tonart. Bezüglich des Charakters und der allgemeinen Beliebtheit des Verstorbenen wurden eine Reihe gleichlautender Kommentare abgegeben. Rickard Maasleitner war ein Stinkstiefel gewesen. Offenbar ein Tyrann und arroganter
Besserwisser allerschlimmsten Kalibers. Dennoch war es schwer zu verstehen, dass jemand einen direkten Grund gehabt haben sollte, ihn umzubringen. Soweit bekannt war, hatte er keine Frauengeschichten, es war sogar höchst zweifelhaft, ob er seit seiner Scheidung vor acht Jahren überhaupt eine neue Beziehung gehabt hatte. Vielleicht ging er manchmal zu Prostituierten, aber das war nur eine Vermutung, die niemand bestätigen oder dementieren konnte. Er hatte keine Schulden. Stellte keine Forderungen. Machte keine dubiosen Geschäfte.
Und niemand hatte ihm nahegestanden.
Seine frühere Ehefrau hatte kein gutes Wort über ihn verloren, und sonst auch niemand. Die Kinder waren natürlich etwas schockiert, aber sie würden mit dem Tod ihres Vaters schon irgendwie zurechtkommen.
Rickard Maasleitners Eltern waren beide tot, und die Vermutung lag nahe, dass der letzte wirklich von Herzen ihm zugetane Mensch vor gut drei Jahren mit seiner Mutter ins Grab gelegt worden war.
»Ein richtiges Prachtarschloch!«, fasste Reinhart den Charakter des Opfers zusammen. »Fast könnte man es bedauern, ihn nicht kennengelernt zu haben.«
Zehn Minuten später traf Heinemann ein. »Entschuldigung«, sagte er und sank auf den freien Stuhl nieder. »Ich habe mich ein bisschen verspätet.«
»Wirklich?«, fragte Reinhart.
Heinemann legte vor sich auf den Tisch einen großen Umschlag.
»Was hast du da?«, fragte Münster.
»Die Verbindung«, erklärte Heinemann.
»Was meinst du damit?«, fragte Rooth.
»Ich sollte doch nach einer Verbindung suchen, oder?«
»Ich fress ’nen Besen«, stieß deBries aus.
Heinemann zog die Lasche auf und zog ein vergrößertes Foto hervor. Er gab es Van Veeteren.
Der Kommissar musterte es verblüfft mehrere Minuten lang. »Schieß los.«
Heinemann nickte und nahm seine Brille ab. »Das Foto zeigt die Abgangsklasse der Militärstabsschule von 1965. Der dritte Mann von links in der untersten Reihe heißt Ryszard Malik. Der zweite von rechts in der mittleren Reihe ist Rickard Maasleitner.«
Es wurde still im Raum. Van Veeteren gab das Foto mit 35 aufrechten jungen Männern in graugrünen Uniformen mit unerschrockenem Blick seinem Nachbarn.
»1965 hast du gesagt?«, fragte Münster, als es die Runde gemacht hatte.
»Exakt«, sagte Heinemann. »Sie sind im April 1964 eingezogen worden und haben Ende Mai 1965 ihren Dienst beendet. Tja, das ist es, was ich rausgekriegt habe … abgesehen davon, dass sie die gleichen Initialen haben natürlich, aber das ist euch sicher auch schon aufgefallen?«
»Was?«, wunderte Rooth sich. »Ja, natürlich, verflucht noch mal …«
»R. M.«, sagte Reinhart. »Nun, das hat sicher nichts zu bedeuten.«
»Hast du die Namen von allen?«, fragte Van Veeteren.
Heinemann grub in seinem Umschlag und holte einen Zettel heraus. »Nur Namen und Geburtsdatum bisher, aber Krause und Willock sind dabei … das dauert eben eine Weile, wie ihr euch denken
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