Die Frau mit dem Muttermal - Roman
murmelte er. »Das ist diese beschissene Jahreszeit …«
»Entlassen!«, rief Jung. »Kannst du dir vorstellen, dass er kurz vor seiner Entlassung stand. Und ich habe gedacht, es wäre praktisch unmöglich, einen Lehrer zu feuern!«
Sie saßen im Auto, auf dem Rückweg ins Polizeipräsidium. Der Besuch in der Neuen Elementarschule hatte über drei
Stunden in Anspruch genommen, aber das Ergebnis war gar nicht so schlecht. Nach einem kurzen, einführenden Gespräch mit Rektor Greitzen hatten sie den größten Teil der Zeit mit dem Personalrat der Schule zusammengesessen – drei Frauen und drei Männer –, und das Bild des Rickard Maasleitner hatte zweifellos an Schärfe gewonnen.
Sie hielten ihn für einen dieser Pädagogen, der lieber einen anderen Beruf hätte wählen sollen. Eine Arbeit, bei der er seine Machtposition nicht so einfach ausnutzen konnte. Ausnutzen und missbrauchen. Die Vorfälle im Dezember waren nicht die ersten dieser Art gewesen. Ganz im Gegenteil. Maasleitners fünfundzwanzigjährige Lehrertätigkeit hatte eine Reihe ähnlicher Intermezzi vorzuweisen. Korpsgeist, missverstandene Kollegialität, die Intervention durch die Schulleitung und andere hatten ihn ein ums andere Mal auf dem Katheder gehalten, aber es gab gleichzeitig keinen Zweifel, dass viele seiner überdrüssig waren. Um nicht zu sagen: alle.
»Es gibt zwei Sorten von Lehrern«, hatte ein gebeugter, kettenrauchender Schulpsychologe erklärt. »Diejenigen, die Konflikte lösen, und diejenigen, die erst welche schaffen. Maasleitner gehörte leider zu Letzteren.«
»Gehörte dazu?«, hatte eine leicht ironische, aber vertrauenerweckende Sprachlehrerin eingeworfen. »Er war ihr ungekrönter König. Er konnte doch kaum über den Schulhof gehen, ohne in Schwierigkeiten zu kommen … auch wenn nur die Fahnenstange draußen war.«
Moreno wollte wissen, ob Maasleitner denn nicht irgendeine Form von Unterstützung im Kollegium gefunden hätte, und wie die Sache mit seinem Ausschluss denn so vor sich hätte gehen sollen, ob man sich denn nicht irgendwie hätte einigen können. Doch die Kollegen wollten sich nicht in die Sache einmischen. Maasleitner sollte selbst schauen, wie er aus dieser selbstverschuldeten Zwickmühle wieder herauskam. Was zweifellos einiges über die Situation sagte. Und über Maasleitner.
»Aber er muss doch irgendwelche Verbündete gehabt haben?« , hatte Jung es noch einmal versucht.
Doch nicht ein Name konnte genannt werden. Vielleicht war das die Art, wie sie eine geschlossene Front zeigten, überlegte Jung hinterher. Was vielleicht ganz normal wäre. Aber gleichzeitig auch etwas merkwürdig. Maasleitner war schließlich ermordet worden … nichts Böses über die Toten und so weiter. Hier war es fast umgekehrt.
Traurig, konstatierte er. Wenn die Menschen, mit denen man täglich zusammenarbeitete – mit einigen von ihnen bereits seit mehr als zwanzig Jahren –, nichts als Scheiße auf einen warfen, wenn man am Boden lag, ja, dann war man wirklich nicht besonders beliebt gewesen.
Sie hatten auch mit einigen Schülern gesprochen und waren schließlich zu Rektor Greitzen zurückgekehrt, der ihnen Kaffee angeboten hatte. »Ich kann mir beim besten Willen niemanden vorstellen, der ihn aus dem Weg räumen wollte. Nein, und ich gehe davon aus, dass Sie nicht nach irgendeinem jugendlichen Täter suchen. Unsere ältesten Schüler sind sechzehn Jahre alt. Aus dem Kollegium kommt ebenfalls niemand in Frage … nein, das ist ausgeschlossen. Er war nicht beliebt, aber ihn deshalb umbringen … !«
»Was hältst du davon?«, fragte Moreno später, als sie wieder im Wagen saßen.
»Nun ja«, antwortete Jung. »Jedenfalls möchte ich nicht in der Haut des Rektors stecken, der am Sarg ein paar Worte sagen muss.«
»Nicht schön, in der Kirche zu lügen«, sagte Moreno.
»Genau.«
»Und Malik hatte anscheinend keine Verbindung zur Schule. Nein, ich glaube, wir können die dort in Ruhe weiterbüffeln lassen.«
Jung schwieg eine Weile. »Wollen wir nicht irgendwo was essen ?«, fragte er, als sich das Polizeigebäude vor ihnen abzeichnete. »Es sind noch zwei Stunden bis zur Lagebesprechung.«
Ewa Moreno zögerte.
»OK«, sagte sie dann. »Dann rennen wir ihnen jedenfalls nicht zwischen den Beinen rum.«
DeBries schaltete das Tonbandgerät ein, nachdem Alwin Malgre auf dem Besucherstuhl Platz genommen hatte.
deB: Herr Malgre. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, den vergangenen
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