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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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gegangen.«
    »Wir können unten im Hotel etwas essen«, schlug sie vor.
    »Vergessen Sie das Hotelrestaurant. Ich zeige Ihnen Plätze, wo es wirklich chinesisch schmeckt. Typische Shanghaier Atmosphäre, und das nur wenige Minuten zu Fuß von hier.«
    Sie suchte nach Gründen, nicht mit ihm auszugehen, fand aber keine. Außerdem würde es bei einem deftigen Frühstück leichter sein, ihm zu eröffnen, daß sie sich in die Ermittlungen einschalten wollte. »Sie versetzen mich immer wieder in Erstaunen, Oberinspektor Chen. Polizist, Dichter, Übersetzer, und jetzt auch noch Feinschmecker«, sagte sie. »Ich werde mich nur kurz umziehen.«
    Sie brauchte einige Minuten, um zu duschen, ein weißes Sommerkleid überzuziehen und ihr Haar zu bändigen.
    Bevor sie das Zimmer verließen, hielt Chen ihr ein Handy hin. »Das steht zu Ihrer Verfügung.«
    »Ein Motorola!«
    »Wissen Sie, wie man hier dazu sagt?« fragte Chen. ›»Großer Bruder‹, und wenn die Besitzerin eine Frau ist, heißt es ›Große Schwestern‹. Es ist das Symbol des Aufstiegs im neuen China.«
    »Interessante Bezeichnung.«
    »In der Kung-Fu-Literatur wird so der Chef einer Bande bezeichnet. Reiche Leute heißen Mister Großer Dollar, und Großer Bruder und Große Schwester haben dieselbe Konnotation.
    Ich habe auch ein solches Mobiltelefon. Es wird unsere Kommunikation vereinfachen.«
    »Dann machen Große Schwester und Großer Bruder jetzt also einen Gang durch Shanghai«, sagte sie lächelnd.
    Während sie die Nanjing Lu entlanggingen, kam der Verkehr dort völlig zum Erliegen. Fußgänger und Radfahrer schlängelten sich durch die kleinsten Lücken zwischen den Autos, so daß die Fahrer ständig bremsen mußten.
    »Die Nanjing Lu ist wie ein großes Einkaufszentrum. Die Stadtverwaltung hat hier strenge Verkehrsbeschränkungen erlassen«, erklärte Chen in seiner Fremdenführerstimme. »Vielleicht wird die Straße demnächst zur Fußgängerzone erklärt.«
    In nur fünf Minuten erreichten sie die Kreuzung Sichuan Lu. An der Ecke sah sie ein weißes Restaurant in westlichem Stil. Junge Leute nippten hinter den getönten Scheiben an ihrem Kaffee.
    »Das Cafe Deda«, sagte Chen. »Der Kaffee dort ist hervorragend, aber wir gehen zu dem Straßenmarkt, der dahinter liegt.«
    Sie hob den Blick und sah am Eingang das Schild ZENTRALMARKT. Es kennzeichnete eine schmale, schäbige Gasse. Neben einer Vielzahl von Verkaufsbuden, die ihre Waren auf Tresen oder Tischen am Bürgersteig feilboten, entdeckte sie in einer Ecke auch einige Imbißstände und winzige Restaurants.
    »Ursprünglich war das ein Markt für billige und gebrauchte Waren, das, was man bei Ihnen einen Flohmarkt nennen würde«, dozierte er weiter. »Nachdem der Markt von so vielen besucht wurde, haben sich auch Eßstände hier etabliert. Sie sind praktisch und billig, und jeder hat seine eigene Geschmacksrichtung.«
    Die Imbißbuden, Straßenküchen und Restaurants schienen die Luft fühlbar mit Energie aufzuladen. Die meisten von ihnen boten billige, einfache Gerichte an, ein denkbarer Kontrast zum Hotel Peace. Am Randstein briet ein fliegender Händler über einem improvisierten Grill Lammspießchen, die er immer wieder mit einer Gewürzmischung bestreute. Ein hagerer Kräuterarzt wog Heilkräuter in eine Reihe von irdenen Töpfen ab, in denen brodelnder Sud kochte. Über ihm hing ein Seidenbanner, das in großen Schriftzeichen HEILGERICHTE FÜR ALLE GEBRECHEN versprach.
    Das war es, was sie hatte sehen wollen, diesen lauten, chaotischen Winkel der Stadt, der tatsächlich noch Geschichten über das alte Shanghai erzählte. Fische, Kalamares und Wasserschildkröten, alle lebend in Holzbottichen oder Plastikwannen; Aale, Wachteln und Froschschenkel, die in Woks brutzelten. Und überall gab es reichlich Kundschaft.
    Sie fanden einen freien Tisch in einem der kleinen Restaurants. Chen reichte ihr eine abgegriffene Speisekarte. Nachdem sie eine Weile auf die sonderbaren Namen gestarrt hatte, gab sie auf. »Wählen Sie. Ich kenne keines dieser Gerichte.«
    Chen bestellte eine Portion jiaozi, gebratene Teigtäschchen mit Schweinefleischfüllung, dazu Krabbenbällchen mit einer durchsichtigen Haut aus Klebreis, fermentierten Tofu am Spieß, Reisbrei mit tausendjährigen Eiern, eingelegten weißen Kürbis, gepökeltes Entenfleisch und Guilin-Tofu mit gehackten Frühlingszwiebeln. Alles wurde auf kleinen Tellerchen gereicht.
    »Das ist ja ein Festmahl«, sagte sie.
    »Und es kostet weniger als ein

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