Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
Vom Netzwerk:
westliches Frühstück in Ihrem Hotel«, erwiderte er.
    Der fermentierte Tofu kam zuerst, aufgespießt auf Holzspießchen wie Kebab. Nach ein paar Bissen gewöhnte sie sich an den ungewohnt scharfen, nussigen Geschmack.
    »Essen war immer ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Kultur«, murmelte Chen kauend. »Wie schon Konfuzius sagte: ›Die Freude am Essen und am Sex liegt in der menschlichen Natur.‹«
    »Was Sie nicht sagen!« Dieses Zitat war ihr nie untergekommen. Hatte er sich das etwa bloß ausgedacht? Sie meinte, ein Andeutung von Humor in seiner Stimme wahrzunehmen.
    Bald bemerkte sie auch die neugierigen Blicke der Gäste an den Nachbartischen – eine Amerikanerin, die in Begleitung eines Chinesen diese einfachen Gerichte in sich hineinschlang. Ein untersetzter Passant grüßte sie sogar, als er mit einem riesigen Reisknödel in der Hand an ihrem Tisch vorbeikam.
    »Jetzt habe ich ein paar Fragen an Sie, Oberinspektor Chen. Meinen Sie, daß Wen diesen Feng, einen Bauern, geheiratet hat, weil sie eine so überzeugte Maoistin war?«
    »Das ist möglich. Aber was die Beziehungen zwischen Mann und Frau angeht, so kann Politik nicht alles erklären.«
    »Sind viele der gebildeten Jugendlichen auf dem Land geblieben?« fragte sie und knabberte am letzten Stück ihres Tofu.
    »Nach der Kulturrevolution sind die meisten von ihnen in die Stadt zurückgekehrt. Hauptwachtmeister Yu und seine Frau zum Beispiel wurden nach Yunnan verschickt und sind Anfang der achtziger Jahre nach Shanghai zurückgekommen.«
    »Sie haben hier wirklich eine interessante Arbeitsteilung, Oberinspektor Chen. Hauptwachtmeister Yu läuft sich in Fujian die Hacken ab, und Sie verspeisen mit einem amerikanischen Gast köstliche Snacks.«
    »Es gehört zu meinen Verpflichtungen als Oberinspektor, Sie anläßlich Ihrer ersten Reise nach China willkommen zu heißen, zumal dies die erste Zusammenarbeit unserer beiden Staaten im Kampf gegen den Menschenschmuggel ist. Parteisekretär Li legt besonderen Wert darauf, daß Ihr Aufenthalt in Shanghai sicher und zu Ihrer Zufriedenheit verläuft. Das war der genaue Wortlaut seiner Anweisung.«
    »Vielen Dank«, erwiderte sie. Seine Selbstironie war jetzt nicht mehr zu überhören. Das machte es einfacher für sie. »Wenn ich nach Hause komme, soll ich also von Völkerfreundschaft schwärmen und die Parolen Ihrer Zeitungen nachbeten.«
    »Das liegt ganz bei Ihnen, Inspektor Rohn. Es gehört zur chinesischen Tradition, daß man einen Gast aus der Ferne freundlich empfängt.«
    »Und was werden Sie noch unternehmen, außer mich gut zu betreuen?«
    »Ich habe eine Liste mit Wens möglichen Kontaktpersonen in Shanghai zusammengestellt. Qian Jun, mein zeitweiliger Assistent, wird für heute nachmittag und morgen früh Termine mit ihnen vereinbaren, damit ich sie befragen kann. Zwischendurch werde ich Sie über die Entwicklungen auf dem laufenden halten.«
    »Ich soll also im Hotel sitzen und auf Anrufe warten wie ein Telefonfräulein?«
    »Nein, das müssen Sie natürlich nicht. Nachdem das Ihre erste Reise nach China ist, sollten Sie unbedingt Besichtigungen machen. Den Bund, die Nanjing Lu. Über das Wochenende werde ich Ihnen dann als Vollzeit-Fremdenführer zur Verfugung stehen.«
    »Lieber wäre es mir, ich könnte Sie bei Ihrer Arbeit begleiten, Oberinspektor Chen.«
    »Sie meinen, bei den Interviews?«
    »Ja.« Sie sah ihm direkt in die Augen.
    »Eigentlich spricht nichts dagegen. Nur sprechen die meisten Leute hier Shanghai-Dialekt.«
    Eine diplomatische Antwort, dachte sie, aber dennoch ein Ausweichmanöver.
    »Im Flugzeug hatte ich auch keine Probleme, mich mit den Leuten zu unterhalten. Sie haben alle Mandarin mit mir gesprochen. Können wir Ihre Interviewpartner nicht bitten, dasselbe zu tun? Und falls nötig, könnten Sie mir helfen.«
    »Ich kann es versuchen. Aber glauben Sie, daß die Leute vor einer amerikanischen Beamtin offen reden werden?«
    »Sie werden die Sache um so ernster nehmen«, erwiderte sie, »wenn sie uns zusammen sehen, ein chinesischer und ein amerikanischer Ermittler.«
    »Da könnten Sie recht haben, Inspektor Rohn. Ich werde mit Parteisekretär Li darüber sprechen.«
    »Gehört es zur hiesigen Politkultur, niemals klare Antworten zu geben?«
    »Nein. Ich gebe Ihnen ja eine klare Antwort, aber ich brauche seine Einwilligung. Gewisse Regeln müssen einfach eingehalten werden, das gilt doch sicher auch für die U.S. Marshals.«
    »Zugestanden, Oberinspektor«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher