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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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schwang
    ein Herz aus roter Pappe, in das sie
    einen Jungen und ein Mädchen geschnitten hatte,
    das Schriftzeichen »loyal« zwischen sich haltend –
    loyal gegenüber dem Großen Vorsitzenden.
    Der Frühling der Kulturrevolution wehte
    durch ihre Finger. Ihr Haar wallte
    in das dunkle Auge der Sonne.
    Ein Sprung, und ihr Rock
    blühte auf, und das Herz
    sprang ihr aus der Hand, flatterte
    wie ein aufgeschreckter Fasan. Ein Fehltritt –
    ich eilte ihr zu Hilfe, als sie es wieder fing –
    und zugleich die Vollendung ihrer Show. Die Menge tobte. Ich erstarrte.
    Sie nahm mich bei der Hand,
    winkte, unsere Finger verschmolzen ineinander,
    als wäre ich Teil des Auftritts, als fiele
    der Vorhang vor der Welt,
    ein weißes Stück Papier,
    und vor ihm leuchtete das rote Herz,
    und ich war der Junge darin und sie das Mädchen.
    »Die besten Finger«, nickt der Werkstattleiter.
    Sie ist es, kein Zweifel.
    Doch, was soll ich sagen.
    Ich sage mir, was man eben so sagt,
    daß die Dinge sich wandeln
    laut einem Sprichwort,
    wie das azurblaue Meer in einen Maulheerwald.
    Oder daß die Jahre verfliegen – im Zug einer Zigarette.
    Hier ist sie, verändert und doch
    dieselbe, ihre Finger
    eingetaucht in grüne Schmirgelpaste,
    jungem Bambus gleich, der lange im
    Eiswasser liegt, sich der Vollendung
    entgegenhäutend. Nur einmal
    hebt sie ihre Hand, um sich den Schweiß
    von der Stirn zu wischen, und hinterläßt dort
    eine fluoreszierende Spur. Sie
    erkennt mich nicht – obgleich
    ich ein Namensschild der Wenhui-Zeitung
    an der Brust trage.
     
    »Keine Geschichte wert«,
    sagt der Werkstattleiter.
    »Eine von vielen,
    eine gebildete Jugendliche, die selbst
    zur ›Bäuerin der armen unteren Mittelklasse‹ wurde.
    Ihre Finger – kräftig wie ein Schleifstein –
    polierten mit revolutionärem Bewußtsein
    den Geist unserer Gesellschaft auf Hochglanz.
    Wenn das nicht für die Überlegenheit des
    Sozialismus spricht!«
    Und so kam jene zentrale Metapher
    in meinen Bericht.
    Eine smaragdgrüne Schlange
    kriecht über die weiße Wand.
    »Ein trauriges Gedicht«, murmelte sie.
    »Ein gutes Gedicht. Leider kann die Übersetzung dem Original kaum Genüge tun.«
    »Die Sprache ist klar und der Inhalt deutlich. Ich wüßte nichts an der englischen Version auszusetzen. Sie hat mich sehr berührt.«
    »›Berührt‹ ist wohl das richtige Wort. Es war nicht einfach, äquivalente englische Ausdrücke zu finden. Das Gedicht stammt von Liu Qing.«
    »Von wem? Liu Qing?«
    »Wens Klassenkamerad – ihr Bruder Lihua hat ihn erwähnt, jener Senkrechtstarter, der das Klassentreffen finanziert hat.«
    »Ach ja. ›Das Rad des Schicksals dreht sich schnell‹. Zhu hat auch von ihm gesprochen, sie sagte, in der Schulzeit sei er ein Niemand gewesen. Warum ist ein Gedicht von ihm plötzlich so wichtig für uns?«
    »Ich glaube, ich hatte erwähnt, daß in Wens Haus eine Gedichtanthologie gefunden wurde.«
    »Es steht in der Akte, ja. Moment mal, die revolutionäre Poliererin, die kommuneeigene Fabrik, die Arbeiterinnen, die mit den Fingern polieren, und Lili …«
    »Da sehen Sie. Deshalb wollte ich heute abend mit Ihnen über das Gedicht sprechen«, sagte er. »Nachdem wir uns getrennt hatten, habe ich Yu angerufen. Lius Gedicht steht in dieser Anthologie, und Yu hat mir eine Kopie davon gefaxt. Das Gedicht wurde vor fünf Jahren zunächst in einer Zeitschrift namens Sterne veröffentlicht. Liu arbeitete damals als Reporter bei der Wenhui-Zeitung. Wie das lyrische Ich des Gedichts schrieb auch er einen Artikel über die Modellfabrik der Kommune in Changle, Provinz Fujian. Ich habe eine Kopie seines Berichts.« Er zog ein Blatt aus seiner Aktenmappe. »Aber das ist Propaganda. Ich hatte keine Zeit, es zu übersetzen.«
    »Nur wenige Buchläden in den großen Städten verkaufen heutzutage Lyrikbände. Es ist kaum vorstellbar, daß sich eine arme Bauersfrau in ihrem Dorf ein solches Buch gekauft hat.«
    »Glauben Sie, daß das Gedicht eine wahre Begebenheit erzählt?«
    »Schwer zu sagen, wieviel daran wahr ist. Der Besuch in Wens Fabrik war, wie in dem Gedicht angedeutet, offenbar ein Zufall. Aber Liu benutzte in seinem Zeitungsartikel dieselbe Metapher – eine revolutionäre Poliererin, die den Geist der sozialistischen Gesellschaft auf Hochglanz poliert. Vielleicht war das ein Grund, warum er seinen Job an den Nagel gehängt hat.«
    »Warum? Er hat doch nichts Unrechtes getan.«
    »Er hätte kein solches politisches Geschwafel schreiben sollen,

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