Die Frau mit dem roten Tuch
Seen und munter strömenden Flüssen fänden und dort kein Leben anträfen.
Die Grundstoffe sind also universal und können direkt von den »ersten Prinzipien« abgeleitet werden. Komplizierte Moleküle oder Makromoleküle sind viel seltener, doch damit ist nicht gesagt, dass sie weniger universal wären.
So denke ich. Es ist eine lineare, aber auch logisch klare Gedankenreihe, die ich hier konstruiere. Vielleicht bin ich an diesem Vormittag der Einzige auf unserem Planeten, der sich Gedanken über die Entstehung seines eigenen Bewusstseins macht. Oder wer weiß, vielleicht bin ich in dieser Sekunde sogar der Einzige im ganzen Universum. Dann säße ich unauffällig in meinem gelben Zugabteil und erfreute mich eines großen Privilegs.
Kurz vor Nesbyen beginnt es zu regnen. In weißen Buchstaben auf blauem Grund leuchtet über der Tür: Nesbyen, Ausstieg links, 168 M. ü. d. M. Und nachdem wir in Nesbyen durchgewinkt worden sind: Willkommen im Zug nach Bergen. Danach folgt ein freundlicher Gruß: Willkommen im Speisewagen. * Leckeres Menü * Snacks * Warmes Essen und Kioskwaren.
Zwischen Nesbyen und Gol führt die Bahnlinie durch den Wald. Ich schaue auf den Fluss rechts unten und sehe einige wenige Bauernhöfe. Jetzt liegen die Nebelwolken tief im Talgrund. Es sieht aus, als setzten die luftigen Zeppeline zur Landung an.
In der Kosmologie gibt es etwas, das man kosmologisches Prinzip nennt. Es besagt, dass das Universum, gleichgültig in welche Richtung man sich wendet, immer dieselben Eigenschaften aufweist. Wenn der Maßstab nur groß genug ist, ist das Universum isotrop , das heißt homogen und gleichartig.
Warum nun sollte dieses Prinzip nicht auch für unsere Frage gelten? Können wir nicht erwarten, überall im Universum Leben zu finden? So wie wir überall Planeten, Sterne und Galaxien finden? Oder hat es die Entstehung dessen, was wir Leben nennen, durch einen Zufall nur hier bei uns gegeben?
Es gibt annähernd hundert Milliarden Galaxien im Universum, und jede davon besteht aus annähernd hundert Milliarden Sternen. Das heißt, wir haben es mit einer unfassbar großen Zahl chemischer Fabriken zu tun. Es ist, als könnten wir unendlich viele Jetons auf einen Spieltisch in Monte Carlo legen – womit wir nicht mehr von Bedingungen sprechen können, unter denen ein möglicher Großgewinn als »Zufall« ausgegeben werden dürfte.
Denn es ist kein Zufall, dass ein fleißiger Spieler gelegentlich einen bedeutenden Gewinn einstreicht. Es ist sogar typisch für einen fleißigen Spieler, dass ihm das bisweilen passiert. Wenn uns wirklich einmal Menschen begegnen, die sich brüsten, öfter im Lotto oder auf der Pferderennbahn zu gewinnen, dann sollten wir die Glücklichen fragen, welche Summe sie im Laufe ihres Lebens schon eingesetzt haben. Nicht jeden wird diese Frage freuen.
Doch zurück zu unserem Bewusstsein. Was unsere eigene Biosphäre betrifft, so lässt sich durchaus behaupten, dass es mit dem Nervensystem und dem Sinnesapparat der Organismen schwanger war. Der Gesichtssinn zum Beispiel, das Sehen, ist gleich ein paar Dutzend Mal vollkommen unabhängig voneinander auf unserem Planeten entstanden. Wir können folglich erwarten, dass komplexere Organismen auch auf jedem anderen Planeten eine Art Gesichtssinn entwickelt haben. Der Grund dafür liegt auf der Hand: In jeder Biosphäre muss es ein evolutionärer Vorteil sein, seine Umgebung wahrnehmen zu können, etwa ein gefährliches Gelände, Feinde oder Beutetiere. Wo eine geschlechtliche Vermehrung stattfindet, sollte man außerdem fähig sein, sich einen passenden Partner auszusuchen. Auch andere Sinne wären auf jedem Planeten ein Vorteil im Überlebenskampf, vielleicht nicht einmal nur die uns bekannten, sondern auch ein paar ausgefallene, die wir bei uns nicht oder noch nicht kennen.
Um Sinneseindrücke zu koordinieren, wird wiederum jeder höhere Organismus ein Kontrollzentrum oder ein »Gehirn« entwickeln. Wieder sehen wir auf unserem eigenen Planeten Beispiele dafür, wie die verschiedensten Tierarten unabhängig voneinander ein mehr oder weniger kompliziertes und komplexes Nervensystem entwickelt haben. Ist es nicht interessant, dass Neurologen die Nervenzellen von Tintenfischen untersuchen, weil sie sich davon Aufschlüsse über das Nervensystem des Menschen erhoffen?
Was wir über das Leben allgemein sagen, nämlich dass es ein universal verbreitetes Naturphänomen darstellt, gilt demnach ebenso für die Entwicklung
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