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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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tatsächlich niemand um sie. Das ist eigentlich noch grauenvoller …
    An jenem Tag fand in Lias Redaktion die wöchentliche Besprechung statt, bei der die Themen der nächsten Ausgabe diskutiert wurden. Am Ende der Sitzung brachte Matt Thomas, der Chefredakteur, zu Lias Überraschung die Leiche aus der Holborn Street zur Sprache.
    »Der Fall der Frau ohne Gesicht. Habt ihr euch darüber Gedanken gemacht?«
    Lia starrte Thomas an. Dummerweise war ausgerechnet er, der Chefredakteur, der Einzige in der Redaktion, den sie nicht leiden konnte. Sie wusste, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte.
    Sie hatte sich ihre Vorbehalte gegenüber Matt Thomas damit erklärt, dass jemand in seiner Position automatisch ein ziemliches Arschloch sein musste . Auf einem Chefredakteur lasteten schließlich allerhand Erwartungen und der Druck, Profit zu machen. Daher musste man es ihm nachsehen, wenn er seinen Stress auf die Mitarbeiter ablud. Andererseits war Thomas notorisch unfreundlich, beanspruchte jegliche Lorbeeren für die Leistungen der Redaktion allein für sich und führte die Zeitschrift, obwohl er gern von »journalistischer Qualität« sprach, schonungslos immer näher an den Boulevard heran.
    Schweigen. Niemand schien Lust zu haben, auf seine Frage zu antworten.
    »Na, wie sieht es aus? Uns fehlen noch ein paar Aufmacher für die nächste Nummer«, wiederholte er.
    »Ich wüsste eigentlich nicht, warum wir darüber schreiben sollten«, sagte der Politikredakteur Timothy Phelps. »Schreckliche Verbrechen passieren immer wieder. Die Leute sind erschüttert, und dann kehren sie zum Alltag zurück.«
    Thomas schwieg kurz, nickte dann und beendete die Besprechung mit einem »Tja, so ist das«.
    Lia war anderer Meinung.
    Ich bin nicht zum Alltag zurückgekehrt.

3.
    Ende April geschah etwas Ungewöhnliches. Etwa einen Monat nach dem Fund der Leiche in der Holborn Street war Lias Geburtstag. Genau genommen fiel er auf einen Sonntag, aber sie lud ihre Kollegen schon am Freitagabend nach der Arbeit in die Stammkneipe der Redaktion, The White Swan, ein.
    Lia hatte den Abend unruhig erwartet. In den letzten Jahren hatte sie nie ihren Geburtstag gefeiert. Aber als das Datum erneut näher rückte, verspürte sie plötzlich das Bedürfnis, es anders zu halten. Sie ahnte, dass das teilweise an der Frauenleiche in dem weißen Volvo und ihrer Selbsterforschung lag, die diese bei ihr ausgelöst hatte, aber sie konnte sich nicht wirklich einen Reim darauf machen.
    »Wenn ihr sonst nichts vorhabt«, hatte Lia gesagt, als sie ihre Kollegen einlud. Sie nahm an, dass die meisten ohnehin keine Lust haben würden, mit ihr zu feiern. In der Redaktion hielt man sie für eine introvertierte, etwas seltsame Finnin. Eine harte Frau, so hart, dass über sie gelegentlich kameradschaftlich gespöttelt wurde.
    Von dem guten Dutzend Geladenen kamen immerhin acht in den White Swan. Matt Thomas war zu Lias Erleichterung nicht darunter. Am Ende blieben fünf Männer übrig. Lia wusste, dass jeder von ihnen ein eigenes Leben hatte – eine Familie oder eine Beziehung, und sie empfand es als echten Freundschaftsbeweis, dass sie ihren freien Abend mit ihrer seltsamen finnischen Kollegin verbrachten.
    Die kleine Feier war ein echter Erfolg. Lia wurde von den schon leicht angesäuselten Kollegen charmant bezirzt, was ihr durchaus gefiel und was sie nach den vergangenen Tagen umso mehr aufsog. Lia freute sich besonders darüber, im ein oder anderen Trinkspruch für ihren außergewöhnlichen Humor gepriesen zu werden. Sie hätte dem Begriff Blondinenwitz eine neue Dimension gegeben: Sie sei eine Blondine, die imstande war, so irre Witze zu reißen, dass manchem Mann dabei angst und bange wurde.
    Sie schenkten ihr CD s mit ihrer Lieblingsmusik, die sie natürlich schon besaß, dazu zahlreiche Wangenküsse und Drinks. Zwischendurch spielten sie alberne Pubspiele.
    Gegen zehn Uhr erreichte Lia die Phase der Trunkenheit, die sie liebte. Das Stadium, in dem man bei allem, was man tut, von einem Hochgefühl erfüllt ist. Auf dem Rückweg von der Toilette bat sie an der Theke um ein großes Glas Wasser und trank. Etwas Wasser zwischen den Drinks war das beste Mittel, wenn man sich langsam und genießerisch betrinken wollte.
    Sie betrachtete den Tisch, an dem die fünf Männer saßen – ihre liebenswürdigen, distanzierten Kollegen. Sie dachte an Finnland, an ihre Eltern, ihre Jugendfreundinnen, zu denen sie kaum noch Kontakt hatte.
    Wie viele Frauen in der Welt

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