Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
löblich und wünschenswert.
Sobald das Kind größer geworden ist, harren seiner die Altersgenossen zu gemeinsamem Spiele unter gemeinsamer Obhut. Alles, was nach dem Stande der Einsicht und des Bedürfnisses für seine geistige und körperliche Entwicklung geleistet werden kann, ist vorhanden. Jeder, der Kinder beobachtet hat, weiß, daß dieselben am leichtesten in Gesellschaft ihresgleichen erzogen werden ; ihr Geselligkeits- und Nachahmungstrieb ist sehr lebhaft. Insbesondere nehmen die Kleineren gern die Erwachseneren als Vorbild und Beispiel und folgen diesen mehr als den Eltern. Diese Eigenschaften können mit Vorteil für die Erziehung ausgenutzt werden .
Den Spielsälen und Kindergärten folgt die spielende Einführung in die Anfänge des Wissens und der verschiedenen gewerblichen Tätigkeiten. Es folgt angemessene geistige und körperliche Arbeit, verbunden mit gymnastischen Übungen und freier Bewegung auf dem Spiel- und Turnplatz, auf der Eisbahn, im Schwimmbad; Übungsmärsche, Ringkämpfe und Exerzitien für beide Geschlechter folgen und ergänzen sich. Es soll ein gesundes, abgehärtetes, körperlich und geistig normal entwickeltes Geschlecht herangebildet werden. Die Einführung in die verschiedenen praktischen Tätigkeiten, die Gartenkultur, den Ackerbau, das Fabrikwesen, die Technik des Produktionsprozesses folgt Schritt vor Schritt. Die geistige Ausbildung in den verschiedensten Wissensgebieten wird nicht vernachlässigt.
Im Erziehungssystem wird derselbe Reinigungs- und Verbesserungsprozeß wie im Produktionssystem vorgenommen werden. Eine Menge veralteter, überflüssiger, die geistige und körperliche Entwicklung hemmender Methoden und Lehrgegenstände fällt. Die Kenntnis natürlicher Dinge, dem Verstand angepaßt, werden den Lerntrieb mehr anfeuern als ein Erziehungssystem, bei dem ein Lehrgegenstand sich mit dem anderen im Widerspruch befindet und seine Wirkung aufhebt, zum Beispiel wenn auf der einen Seite Religion auf Grund der Bibel gelehrt wird, auf der anderen Seite Naturwissenschaften und Naturgeschichte. Dem hohen Kulturstand der neuen Gesellschaft entsprechend, ist die Ausstattung der Lehrräume, der Erziehungseinrichtungen und der Bildungsmittel beschaffen. Bildungs- und Lehrmittel, Kleidung, Unterhalt stellt die Gesellschaft; kein Zögling wird gegen den anderen benachteiligt . Das ist wieder ein Kapitel, über das unsere bürgerlichen "Ordnungsmänner" entrüstet sind . Die Schule solle zur Kaserne gemacht, den Eltern soll jeder Einfluß auf ihre Kinder genommen sein, rufen die Gegner. Von alledem ist gar keine Rede. Da in der künftigen Gesellschaft die Eltern ein unendlich größeres Maß freier Zeit zur Verfügung haben, als dieses gegenwärtig bei der sehr großen Mehrzahl der Fall ist – es sei erinnert an die zehn- und mehrstündige Arbeitszeit der meisten Arbeiter, der Post-, Bahn-, Gefängnis- und Polizeibeamten usw., an die Inanspruchnahme der Gewerbetreibenden, der Kleinbauern, der Kaufleute, der Militärs, vieler Ärzte usw. –, so können sie sich ihren Kindern in einem Maße widmen, wie es heute unmöglich ist. Außerdem haben die Eltern die Ordnung des Erziehungswesens in der Hand, denn sie bestimmen die Maßregeln und Einrichtungen, die getroffen und eingeführt werden sollen. Wir leben alsdann in einer durch und durch demokratischen Gesellschaft. Die Erziehungsausschüsse, die bestehen, sind aus den Eltern – Männern und Frauen – und aus den Erziehern zusammengesetzt . Glaubt man, daß diese wider ihre Gefühle und Interessen handeln? Das geschieht in der heutigen Gesellschaft, in der der Staat seine Erziehungsinteressen gegen den Willen der meisten Eltern durchfuhrt.
Unsere Widersacher tun, als gehöre es zu den größten Annehmlichkeiten der Eltern, den ganzen Tag die Kinder um sich zu haben, um sie zu erziehen. In der Wirklichkeit ist es anders. Welche Schwierigkeiten und Mühe die Erziehung eines Kindes verursacht, wissen diejenigen Eltern am besten zu beurteilen, die in dieser Lage sind oder waren. Mehrere Kinder erleichtern zwar die Erziehung, aber sie verursachen so viel Arbeit und Mühe, daß namentlich die Mutter, welche die Hauptlast mit ihnen hat, froh ist, wenn die Schulzeit herankommt, damit sie für einen Teil des Tages dieselben aus dem Hause bekommt. Auch können die allermeisten Eltern ihre Kinder nur sehr ungenügend erziehen. Der sehr großen Mehrzahl fehlt die Zeit dazu; die Väter haben ihren Geschäften, die Mütter
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