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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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den Haushaltungsarbeiten nachzugehen, wenn sie nicht selbst zur Erwerbsarbeit gehen müssen. Haben sie aber selbst zur Erziehung die Zeit, so fehlt ihnen in unzähligen Fällen die Fähigkeit dazu. Wie viel Eltern sind denn imstande, den Bildungsgang ihrer Kinder in der Schule zu verfolgen und ihnen an die Hand zu gehen? Sehr wenige. Die Mutter, die es in einer Anzahl Fällen am ehesten könnte, hat selten die Fähigkeit, weil sie dazu nicht genügend vorgebildet ist. Auch wechseln die Lehrmethoden und der Lehrstoff so häufig, daß die Eltern demselben fremd gegenüberstehen.
     
    Ferner sind die häuslichen Einrichtungen der weitaus größten Zahl der Kinder so dürftige, daß sie weder die nötige Bequemlichkeit, noch die Ordnung, noch die Ruhe finden, ihre Schularbeiten zu Hause zu verrichten oder angemessene Unterstützung finden. Oft fehlt dazu alles Notwendige. Die Wohnung ist mangelhaft und überfüllt, alle bewegen sich auf dem engsten Raume; das Mobiliar ist dürftig und bietet dem Kinde, das arbeiten will, nicht die geringste Bequemlichkeit. Nicht selten fehlen Licht, Luft und Wärme; die Lehr- und Arbeitsmaterialien sind, wenn überhaupt vorhanden, von der schlechtesten Qualität; häufig wühlt auch der Hunger in den Eingeweiden der Kleinen und raubt ihnen Sinn und Lust für ihre Tätigkeit. Außerdem werden viele Hunderttausende von Kindern zu allen möglichen häuslichen und gewerblichen Arbeiten herangezogen, die ihnen die Jugend vergällen und sie zur Erledigung ihrer so geringen Bildungsaufgaben unfähig machen. Auch haben oft die Kinder den Widerstand beschränkter Eltern zu überwinden, wenn sie sich die Zeit für ihre Schulaufgaben oder für das Spiel nehmen wollen. Kurz, der Hemmnisse sind so unendlich viele, daß man sich nur wundern muß, daß die Jugend noch so gut erzogen ist. Ein Beweis für die Gesundheit der Menschennatur und den ihr innewohnenden Drang nach Fortschritt und Vervollkommnung.
     
    Die bürgerliche Gesellschaft erkennt selbst einen Teil dieser Übel an, indem sie dadurch die Jugenderziehung erleichtert, daß sie die Unentgeltlichkeit des Schulunterrichtes einführt und hier und da auch die Lehrmittel unentgeltlich gewährt, zwei Dinge, die noch Mitte der Achtziger Jahre der damalige sächsische Kultusminister gegenüber den sozialistischen Landtagsabgeordneten als " sozialdemokratische Forderungen" bezeichnete. In Frankreich, in dem nach langer Vernachlässigung die Volkserziehung um so größere Fortschritte machte, ist man, wenigstens in Paris, noch weitergegangen und gewährt die gemeinsame Speisung der Kinder auf Gemeindekosten . Die Armen erhalten das Essen unentgeltlich, und die Kinder bessersituierter Eltern haben dafür einen geringen Betrag an die Gemeindekasse zu bezahlen. Das ist also bereits eine kommunistische Einrichtung, die sich zur Zufriedenheit der Eltern und Kinder aufs beste bewährte.
     
    Für die Unzulänglichkeit des heutigen Schulwesens – es kann öfter nicht die mäßigen Aufgaben, die es sich gestellt, erfüllen – spricht weiter, daß Tausende und aber Tausende von Kindern infolge mangelhafter Nahrung unfähig sind, ihren Schulpflichten zu genügen. Es vergeht kein Winter, in dem in unseren Städten nicht Tausende von Kindern vorhanden sind, die, ohne ein Frühstück genossen zu haben, in die Schule kommen . Die Ernährung von Hunderttausenden anderen ist ungenügend . Für alle diese Kinder wäre die öffentliche Verpflegung wie die Bekleidung eine große Wohltat; sie werden in einem Gemeinwesen, das sie durch ordentliche Verpflegung und Bekleidung lehrt, was es heißt, ein Mensch zu sein, kein "Zuchthaus" erblicken. Die bürgerliche Gesellschaft kann dieses Elend nicht leugnen, und so vereinigen sich mitleidige Seelen zur Gründung von Frühstücks- und Suppenanstalten, um auf dem Wege der Wohltätigkeit einigermaßen zu erfüllen, was Pflicht der Gesellschaft wäre. Auch greifen neuerdings eine Anzahl Gemeinden ein und gewähren armen Kindern die nötigste Verpflegung aus Gemeindemitteln. Alles, alles das ist unzulänglich und wird als Wohltat gewährt, was ein Recht sein sollte .
     
    Mit Recht werden in unseren Schulen die sogenannten häuslichen Schularbeiten möglichst beschränkt, weil man die Unzulänglichkeit der in der elterlichen Wohnung vollendeten Schularbeiten erkannte. Der Schüler wohlhabender Eltern ist gegen den ärmeren nicht nur durch die äußere Lage bevorzugt, sondern auch dadurch, daß öfter Bonnen oder Hauslehrer zur

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