Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Verfügung stehen, die ihn unterstützen. Dagegen wird bei dem reichen Schüler Faulheit und Liederlichkeit dadurch begünstigt, daß der Reichtum der Eltern ihm das Lernen als überflüssig erscheinen lassen, ihm oft die moralisch verwerflichsten Beispiele vor Augen kommen und ihm die Verführung besonders nahetritt. Wer täglich und stündlich hört und sieht, wie Rang, Stand und Reichtum alles bedeuten, erlangt absonderliche Begriffe von dem Menschen und seinen Pflichten und von staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen.
Streng genommen hat die bürgerliche Gesellschaft keine Ursache, sich über die kommunistische Kindererziehung, welche die Sozialisten erstreben, zu entrüsten, denn sie hat diese für bevorrechtete Kreise teilweise selbst eingeführt, nur in verzerrter Weise . Wir erinnern an die Kadettenhäuser, Militärwaisenhäuser, Alumnate, Seminarien, Priesterschulen usw. In diesen werden viele Tausend von Kindern, zum Teil aus den höchsten Ständen, in der einseitigsten und verkehrtesten Weise und in strengster klösterlicher Klausur erzogen und für bestimmte Berufe ausgebildet. Auch geben viele Angehörige der bessersituierten Klassen, die als Ärzte, Geistliche, Beamte, Fabrikherren, Gutsbesitzer, Großbauern usw. auf dem Lande oder in kleinen Orten wohnen, wo höhere Bildungsanstalten fehlen, ihre Kinder nach den größeren Städten in Pension und bekommen sie während des ganzen Jahres höchstens in den Ferien zu sehen.
Es ist also ein Widerspruch, wenn unsere Widersacher sich über eine kommunistische Kindererziehung und über Entfremdung der Kinder von den Eltern entrüsten, und selbst eine ähnliche Erziehung, nur in verhunzter, falscher und unzulänglicher Weise für ihre eigenen Kinder eingeführt haben . Auch über die Erziehung der Kinder der wohlhabenden Klassen durch Ammen, Bonnen, Gouvernanten, Hauslehrer ließe sich ein eigenes Kapitel schreiben, das seltsame Streiflichter auf ihr Familienleben werfen würde. Es würde sich zeigen, daß auch hier vielfach die Heuchelei herrscht und nichts weniger als ein Idealzustand, weder für die Lehrenden noch die Lernenden .
Entsprechend dem total veränderten Erziehungssystem, das die körperliche wie die geistige Entwicklung und Ausbildung der Jugend im Auge hat, muß die Zahl der Lehrkräfte wachsen. Für die Erziehung des Nachwuchses der Gesellschaft sollte in ähnlicher Weise gesorgt werden wie im Militärwesen für die Ausbildung der Soldaten, bei dem ein Unteroffizier auf acht bis zehn Gemeine kommt. Wird künftig eine ähnliche Schülerzahl von einem Lehrer unterrichtet, so ist erreicht, was erreicht werden muß. Auch wird die Einführung in die mechanischen Tätigkeiten, in den aufs vollkommenste eingerichteten Lehrwerkstätten, in die Garten- und Feldarbeiten, einen wesentlichen Teil der Jugenderziehung bilden. Man wird das alles mit Abwechslung und ohne Überanstrengung durchzuführen wissen, um möglichst vollkommen ausgebildete Menschen zu erziehen.
Die Erziehung muß ferner für beide Geschlechter gleich und gemeinsam sein. Die Trennung derselben rechtfertigt sich nur in den Fällen, wo die Verschiedenheit des Geschlechts sie zur absoluten Notwendigkeit macht. In dieser Art Erziehung sind uns bereits die Vereinigten Staaten weit voraus. Dort ist die Erziehung der beiden Geschlechter von der Primärschule bis zu den Universitäten eine gemeinsame. Nicht nur ist der Unterricht, sondern auch die Lehrmittel sind unentgeltlich, einschließlich der Gegenstände für die Handarbeit und den Kochunterricht, für den Unterricht in der Chemie und Physik und die Gegenstände, die der Schüler am Experimentier- und Arbeitstisch nötig hat . Mit den meisten Schulen sind Turnhallen, Badeeinrichtungen, Schwimmbassins, Spielhallen verbunden. In den höheren Schulen wird auch das weibliche Geschlecht im Turnen, Schwimmen, Rudern, Marschieren ausgebildet .
Das sozialistische Erziehungssystem wird noch Höheres leisten. Gehörig geregelt und geordnet und unter ausreichende Kontrolle gestellt, währt es bis zu dem Alter, in dem die Gesellschaft ihre Jugend für mündig erklärt. Nunmehr sind beide Geschlechter im vollsten Maße befähigt, allen Rechten und Pflichten in jeder Richtung zu genügen. Jetzt hat die Gesellschaft die Sicherheit, nur tüchtige, nach allen Seiten entwickelte Glieder erzogen zu haben, Menschen, denen nichts Menschliches fremd ist, die ebenso vertraut mit ihrer eigenen Natur und ihrem eigenen Wesen sind,
Weitere Kostenlose Bücher