Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
›abgeschafft‹, er stirbt ab" .
Mit dem Staat verschwinden seine Repräsentanten: Minister, Parlamente, stehendes Heer, Polizei und Gendarmen, Gerichte, Rechts- und Staatsanwälte, Gefängnisbeamte, die Steuer- und Zollverwaltung, mit einem Wort: der ganze politische Apparat. Kasernen und sonstige Militärbauten, Justiz- und Verwaltungspaläste, Gefängnisse usw., harren jetzt einer besseren Bestimmung. Zehntausende von Gesetzen, Erlassen und Verordnungen werden Makulatur, sie besitzen nur noch historischen Wert. Die großen und doch so kleinlichen parlamentarischen Kämpfe, bei denen die Männer der Zunge sich einbilden, durch ihre Reden die Welt zu beherrschen und zu lenken, sind verschwunden, sie haben Verwaltungskollegien und Verwaltungsdelegationen Platz gemacht, die sich mit der besten Einrichtung der Produktion, der Distribution, der Festsetzung der Höhe der notwendigen Vorräte, der Einführung und Verwendung zweckentsprechender Neuerungen in der Kunst, dem Bildungswesen, dem Verkehrswesen, dem Produktionsprozeß usw. in Industrie und Landwirtschaft zu befassen haben. Das sind alles praktische, sichtbare und greifbare Dinge, denen jeder objektiv gegenübersteht, weil für ihn kein der Gesellschaft feindliches persönliches Interesse vorhanden ist. Keiner hat ein anderes Interesse als die Allgemeinheit, das darin besteht, alles aufs beste, zweckmäßigste und vorteilhafteste einzurichten und herzustellen.
Die Hunderttausende ehemaliger Repräsentanten des Staates treten in die verschiedensten Berufe über und helfen mit ihrer Intelligenz und ihren Kräften, den Reichtum und die Annehmlichkeiten der Gesellschaft vermehren. Man wird künftig weder politische Verbrechen und Vergehen, noch gemeine kennen. Die Diebe sind verschwunden, weil das Privateigentum verschwunden ist und jeder in der neuen Gesellschaft leicht und bequem seine Bedürfnisse durch Arbeit befriedigen kann. Auch "Stromer und Vagabunden" existieren nicht mehr, sie sind das Produkt einer auf dem Privateigentum beruhenden Gesellschaft, und sie hören auf zu sein, sobald dieses fällt. Mord? Weshalb? Keiner kann am anderen sich bereichern, auch der Mord aus Haß oder Rache hängt direkt oder indirekt mit dem Sozialzustand der Gesellschaft zusammen. Meineid, Urkundenfälschung, Betrug, Erbschleicherei, betrügerischer Bankrott? Das Privateigentum fehlt, an dem und gegen das diese Verbrechen begangen werden konnten. Brandstiftung? Wer soll daran Freude oder Befriedigung suchen, da die Gesellschaft ihm jede Möglichkeit zum Hasse nimmt. Münzverbrechen? "Ach, das Geld ist nur Schimäre", der Liebe Müh' wäre umsonst. Religionsschmähung? Unsinn; man überläßt dem allmächtigen und allgütigen Gott zu bestrafen, wer ihn beleidigt, vorausgesetzt, daß man sich noch um die Existenz Gottes streitet.
So werden alle Fundamente der heutigen "Ordnung" zur Mythe. Die Eltern erzählen später den Kindern davon wie aus alten märchenhaften Zeiten. Und die Erzählungen von den Hetzereien und Verfolgungen, womit man einst die Männer der neuen Ideen überschüttete, werden ihnen genau so klingen, als wenn wir von Ketzer- und Hexenverbrennungen hören. Alle die Namen der "großen" Männer, die mit ihren Verfolgungen gegen die neuen Ideen sich hervortaten und dafür von ihren beschränkten Zeitgenossen mit Beifall überschüttet wurden, sind vergessen und stoßen höchstens dem Geschichtsforscher auf, wenn er in alten Werken blättert. Leider leben wir noch. nicht in den glücklichen Zeiten, in welchen die Menschheit frei atmen darf.
Vierundzwanzigstes Kapitel - Die Zukunft der Religion
Und wie mit dem Staate, so geht's mit der Religion. Diese wird nicht "abgeschafft", man wird "Gott nicht absetzen", nicht "den Leuten die Religion aus dem Herzen reißen", und wie sonst die albernen Reden lauten, womit man atheistisch gesinnte Sozialdemokraten anklagt. Solche Verkehrtheiten überläßt die Sozialdemokratie den bürgerlichen Ideologen, die in der Französischen Revolution solche Mittel versuchten und natürlich elend Schiffbruch litten. Ohne gewaltsamen Angriff und ohne Unterdrückung der Meinungen, welcher Art immer sie sind, werden die religiösen Organisationen und mit ihnen die Kirchen allmählich verschwinden.
Die Religion ist die transzendente Widerspiegelung des jeweiligen Gesellschaftszustandes. In dem Maße, wie die menschliche Entwicklung fortschreitet, die Gesellschaft sich transformiert, transformiert sich die Religion,
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