Die Frau vom Leuchtturm - Roman
meine Hornhaut heran. »Glaubst du, ich hätte die Liste mit Kontonummern um die halbe Welt mitschleppen können? Schließlich hätte ich durchsucht werden oder in irgendeinem verdammten Drittweltland in den Zoll geraten können, oder?«
Entsetzt wendete ich leicht den Kopf.
»Auf diesen Konten liegen mehr als eine halbe Million Dollar aus anderen Deals«, erklärte Bobby. »Ich habe die Nummern im Inneren des Skipokals aufbewahrt, zur Sicherheit. Aber er war nicht in deiner Wohnung. Wo ist er?«
Ich öffnete den Mund zum Sprechen, hielt dann aber inne und überlegte noch einmal. Bis jetzt hatte ich nichts anderes getan, als Bobbys wachsenden Zorn weiter anzustacheln. Wenn ich ihm jetzt die Wahrheit sagte - soweit ich wusste, lag sein kostbarer Skipokal
irgendwo auf einer Müllhalde -, dann hatte er keinen Grund mehr, mich am Leben zu lassen.
Schließlich hatte ich ihm keinen Grund zu der Annahme gegeben, dass ich ihn nicht schnellstens an die Polizei übergeben würde.
Also begann ich zu lügen.
»Ich habe den Pokal … als Erinnerung an unsere Reise behalten«, stotterte ich.
Eigentlich wollte er genau das hören, doch ich sah, dass er mir nicht ganz glaubte. Bobby legte den Kopf zur Seite wie ein Raubtier, das sich anschickt, ein hilfloses Kaninchen zu verschlingen.
»Kluges Mädchen! Wo ist er?«, verlangte er zu wissen.
Ich schüttelte den Kopf. »Wenn ich es dir sage, bringst du mich um«, schniefte ich. Den panischen Unterton in meiner zitternden Stimme brauchte ich nicht vorzutäuschen.
Sanft strich er mir mit der flachen Messerklinge über die Wange. »Ich bringe dich um, wenn du es mir nicht sagst«, drohte er, aber mir war klar, dass er es nicht ernst meinte. Denn Bobby brauchte diese halbe Million Dollar um jeden Preis, um sich damit ein neues Leben zu erkaufen.
So standen wir einander in einem tödlichen Spiel aus Drohung und Gegendrohung gegenüber, während draußen der Sturm heulte und das Haus erbeben ließ.
»Woher soll ich wissen, dass du nicht lügst?«, fragte er schließlich.
»Und woher soll ich wissen, dass du mich leben lässt, wenn ich dir den Pokal gebe?«
»Ich finde ihn sowieso.«
»Sei dir da nicht so sicher.«
Nachdenklich stand er da, und mir fiel auf, dass er leicht hin und her schwankte. Ich vermutete, dass er irgendeine Krankheit hatte und kurz vor dem Zusammenbrechen stand, und bezog diesen winzigen Vorteil in meinen eilig zusammengebastelten Plan ein.
»Du kannst doch gar nicht klar denken, Bobby«, stieß ich unvermittelt hervor. »Nimm jetzt das Messer aus meinem Gesicht und hör mir einen Augenblick zu.«
Er wirkte verblüfft, ließ aber langsam die Hand mit dem Messer sinken. »Mach mich nicht wütend«, warnte er. »Denn sonst bringe ich dich um, und deinen Freund und die kleine Schwuchtel Damon auch.«
»Die beiden haben mit dieser Sache nichts zu tun«, sagte ich.
Bobby schüttelte den Kopf. »Damon hat mich in New york gesehen.«
»Dan aber nicht«, konterte ich. »Und Damon sitzt in der Psychiatrie und erzählt jedem, der es hören will, dass er tot war und dich an der Himmelstür getroffen hat.«
Langsam breitete sich ein Lächeln in Bobbys Gesicht aus. »Wirklich?«, fragte er. Offenbar erfreute es ihn, dass sein Erzfeind offiziell für verrückt erklärt worden war. »Und was ist mit dir, Sweet Sue? Was wird dich daran hindern, alles auszuplaudern?«
Ich stieß einen langen, müden Seufzer aus. »Ich will einfach nur mein Leben weiterführen, Bobby. Von mir aus würde ich am liebsten weiter denken, du wärst tot, und wenn auch nur, weil du mich vollkommen zum Narren gehalten hast. Außerdem«, setzte ich in überzeugendem Ton hinzu, »forderst du das Schicksal heraus, wenn du mich umbringst. Dann kommt die Polizei ins Spiel, die ermitteln wird. Im Moment sucht niemand
nach dir, Bobby. Warum nimmst du nicht einfach deinen verdammten Pokal und verschwindest? Ich habe sogar noch fünfhundert Dollar in bar, die ich dir geben könnte.«
Während er darüber nachdachte, hielt ich die Luft an. Um die Wahrheit zu sagen, hätte ich ihm nur allzu gern den Pokal gegeben und ihn aus meinem Leben verschwinden lassen, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre.
Doch leider war das nicht möglich.
»Wo hast du ihn?«, fragte er.
Ich wusste, dass ich mich jetzt richtig verhalten musste, so, als hätte ich wirklich, was er wollte; ich tat, als zögere ich. »Sind wir uns einig?«, fragte ich argwöhnisch.
Er nickte. »Abgemacht! Du gibst mir den Pokal, und
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