Die Frau vom Leuchtturm - Roman
Unwillkürlich stellte ich mir wieder die Frage, ob das wirklich Liebe gewesen war.
»Herrje, nun schau nicht so schockiert drein«, spottete Bobby, der meine Miene richtig gedeutet hatte. »Wusstest du nicht, dass so die große, böse Welt der internationalen Geschäfte funktioniert - durch Bestechung und krumme Deals?«
»Du warst dabei, mir von dem verblichenen Al Pearson zu erzählen«, gab ich kalt zurück. »Oder lebt auch er noch?«
Bobby schüttelte den Kopf und schob mir die Kaffeetasse zum Nachfüllen zu. Unwillig hob ich die Kanne von ihrem Stövchen und überlegte kurz, ob es mir gelingen konnte, ihm die kochend heiße Flüssigkeit ins Gesicht zu kippen und durch die Hintertür zu flüchten.
»Denk nicht einmal daran«, sagte er warnend und legte die Hand bedrohlich auf den schwarzen Messergriff. »Um deine Frage zu beantworten: Der gute alte Al
Pearson ist mausetot«, erklärte er, als ich die Kaffeekanne wieder abgestellt hatte. »Aber das Ganze war ursprünglich seine Idee. Und eine perfekte Idee …«
»Ja, das sagtest du bereits«, versetzte ich ungeduldig.
Bobby ignorierte meinen Sarkasmus und beugte sich vor, bis ich seinen abgestandenen, schlechten Atem riechen konnte.
»Es war so«, gestand er geheimnistuerisch. »Al hatte einen Freund in Malaysia, einen sehr reichen Freund. Und dieser Freund suchte nach einem Langstreckenjet, genauer gesagt einer Gulfstream 550. Als die Firma mir also anbot, ihre neue Gulfstream zu fliegen, habe ich natürlich gleich zugesagt.«
Bobby erstickte einen weiteren Hustenanfall mit einem Schluck heißen Kaffees. »Nun war aber Als reicher malaysischer Freund wiederum nicht so reich, dass er Lust hatte, die 25 oder 30 Millionen Dollar für eine nagelneue Maschine hinzublättern …«
Bitter lachte ich auf. »Und da habt ihr beide, du und der gute alte Al, beschlossen, eine für ihn zu stehlen«, unterbrach ich ihn. Jetzt begriff ich plötzlich alles. »Mein Gott, Bobby, war es das wert, deine Karriere zu riskieren? War es das wert, mich in dem Glauben zu lassen, du wärst tot?«
Zum ersten Mal, seit er aus dem Nichts heraus in meinem Salon aufgetaucht war, meinte ich einen schwachen Abglanz von Bedauern in seinen Augen zu erkennen. »Natürlich nicht«, protestierte er und klang einen winzigen Moment lang wie der Bobby, den ich in einem anderen Leben zu kennen geglaubt hatte. »Ich hatte nie vor, dich zu verlassen. Du verstehst nicht, wie es gelaufen ist.«
»Dann erklär es mir«, fauchte ich. »Erklär mir, warum du dafür unser beider Leben zerstören musstest, Bobby. Denn du siehst nicht aus, als hättest du dein Leben im Griff, und beinahe hättest du meins auch kaputt gemacht.«
Schweigend starrte er mich über die Küchentheke hinweg an.
»Erklär es mir, du Bastard!«, kreischte ich.
Langsam sah er auf und hielt meinem wütenden Blick stand.
»Eigentlich war die ganze Sache narrensicher«, sagte er und sah plötzlich wie ein ängstlicher kleiner Junge aus. »Pearson und ich hatten die anderen beiden Passagiere abgesetzt und einen langen Flug über das offene Meer vor uns. An einem vorher abgesprochenen Punkt - einer Stelle, an der der Indische Ozean über sechstausend Meter tief ist - bin ich in einen steilen Sinkflug gegangen, und wir sind einfach vom Radar verschwunden. Für jeden, der unseren Flug aufzeichnete, musste es aussehen, als hätten wir ein größeres technisches Problem gehabt und wären über dem Wasser abgestürzt.
Dann sind wir ein paar hundert Meilen dicht über dem Wasser nach Süden geflogen, zu einer winzigen Insel, auf der sich eine alte Landebahn aus dem Zweiten Weltkrieg befand. Dort erwartete uns Pearsons Freund mit einem Boot. Er hatte seine eigene Crew mitgebracht, die den gestohlenen Jet zurück nach Malaysia fliegen sollte.«
Mit feuchten Augen erinnerte sich Bobby an die Einzelheiten des illegalen Geschäfts. »Bevor die Malaysier abhoben, haben sie ein paar Gegenstände aus der Gulfstream entfernt, die sich identifizieren ließen,
Sachen, die schwimmen würden - ein paar Sitze, Rettungswesten und so weiter -, und sie in das wartende Boot gebracht. Damit sollten Pearson und ich in die Gegend zurückgebracht werden, wo wir vom Radar verschwunden waren. Dann würden wir das ganze Zeug ins Wasser werfen, und dazu ein paar Fässer Kerosin, damit es wie nach einem Absturz aussah. Die Malaysier sind also mit uns hinausgefahren. Nachdem sie den Schutt abgeworfen hatten, haben sie das Rettungsfloß aufgeblasen, das sie
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