Die Frau vom Leuchtturm - Roman
perfekt«, begann ich vorsichtig. Meine gut gemeinten Worte klangen in meinen eigenen Ohren kalt und herzlos. »Wunderbar, aber nicht vollkommen«, verbesserte ich mich. »Ich glaube, es gibt keinen Menschen, der perfekt ist.«
Plötzlich stand mir ein klares Bild von Bobby vor Augen, und eine unsichtbare Mauer stürzte ein. »Bobby war stur und rücksichtslos«, fuhr ich wahrheitsgemäß fort. »Und er hatte kleine Angewohnheiten, die mich in den Wahnsinn getrieben haben. Zum Beispiel hat er seine schmutzigen Sachen einfach auf den Boden im Bad geworfen, oder er vergaß seine Schlüssel und rief mich dann an, und ich konnte nach Hause fahren und ihm aufschließen.«
Dan sah mich an, und seine Miene war im Dunkeln nicht zu erkennen. Ich schluckte schwer und sprach weiter, denn ich spürte, dass dieser Moment schwer, aber wichtig war. »Er war auch merkwürdig geheimnistuerisch und wollte mir oft nicht sagen, wohin er ging oder wann er zurückkehren würde. Manchmal habe ich viele Wochen einsam und allein und voller Angst verbracht«, gestand ich mit zunehmend aufgeregter Stimme, »weil ich nicht wusste, wo er war oder was er mit seinen verdammten Flugzeugen riskierte … Ich hatte immer schreckliche Angst davor, dass er sich mit seiner Arbeit einmal umbringen würde.«
Ich hielt inne, um zu Atem zu kommen. Mein heftiger Ausbruch verblüffte mich selbst.
»Und dann ist es wirklich genauso gekommen«, sagte Dan tonlos. »Und ich glaube, dass du hinter deinem Kummer in Wahrheit sehr wütend darüber bist, Sue.«
»Nein!« Energisch schüttelte ich den Kopf, obwohl ich wusste, dass in Dans harter Einschätzung durchaus ein Körnchen Wahrheit steckte. »Ich meine, vielleicht bin ich ja wütend«, stammelte ich. »Aber ich bin wütend auf mich selbst, weil es meine Schuld ist, dass Bobby diese spezielle Maschine geflogen hat. Verstehst du das nicht? Ich habe ihn dazu gezwungen …« Ich spürte, dass meine Stimme zu zittern begann. Gleich würde ich in Schluchzen ausbrechen.
»Niemand zwingt jemanden wie Bobby Hayward, etwas zu tun, das er nicht will, Sue«, widersprach Dan heftig. »Er hat genau das getan, was er wollte, und er hat es weiter getan, obwohl er wusste, dass es dich gestört hat - die langen Trennungen, die Sorgen, die du dir gemacht hast …« Dan unterbrach sich mitten im Satz, und ich sah, dass er fürchtete, zu weit gegangen zu sein.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Das stand mir nicht zu.«
»Nein!« Ich schüttelte den Kopf. Denn Dan hatte ja Recht. »Mit Bobby war es, als lebe man in einem Vakuum«, fuhr ich fort. »Er war wochenlang fort, und obwohl ich meine Arbeit und meine Freunde hatte, schien mein Leben ohne ihn zum Stillstand zu kommen. Ich fühlte mich vollkommen elend und leer und wartete nur auf seinen Anruf. Und dann, plötzlich, kam er wieder nach Hause, und ein paar Tage oder eine Woche lang war es wie Weihnachten und Ostern zusammen. Dann begann alles wieder von vorn. Die Belastung war fast unerträglich.«
Ich sah aus dem Fenster, wo die Stadt und das Krankenhaus lagen. »Damon hat immer gesagt, er könne einfach nicht begreifen, warum ich mir das gefallen ließ«, murmelte ich.
»Du hast ihn offensichtlich sehr geliebt.«
»Ja«, flüsterte ich betrübt, »wahrscheinlich mehr, als er mich geliebt hat, und vielleicht sogar mehr, als gut für mich war …« Ich hielt inne und holte tief Luft, um mich zu beruhigen. »Aber wahrscheinlich kommt es nicht so sehr darauf an, wenn man jemanden so liebt.«
Dan streichelte mein Haar. »Nein«, pflichtete er mir bei. »Das tut es wohl nicht.« Er rückte näher, bis ich seinen warmen Atem an meinem Ohr spürte. »Und weil du Bobby auf diese Weise verloren hast«, sprach er weiter, »hast du das Gefühl, ihn zu verraten, wenn du auch nur über die Möglichkeit nachdenkst, jetzt eine Beziehung zu jemand anderem einzugehen.«
Mit zitternder Hand berührte ich Dans Wange. »Ich kann in dieser Sache nicht um den heißen Brei herumreden«, sagte ich. »Ich fühle mich stark von dir angezogen, und ich glaube sogar … ich könnte mich leicht in dich verlieben, Dan. Aber dazu muss ich mir erst einmal richtig klarmachen, dass Bobby wirklich nicht mehr wiederkommt.«
Er senkte den Kopf und küsste zärtlich meine Finger. »Ist schon okay«, versicherte er mir. »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst, Sue. Ich warte, bis du bereit bist.«
Wir saßen noch eine Weile auf dem Sofa, ohne zu sprechen, sahen einfach dem Regen zu und
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