Die Frau vom Leuchtturm - Roman
können.
»Sei kein Klugschwätzer und hör auf Doktor Cahill«, befahl ich ihm. »Wenn sie nicht gewesen wäre, würde ich jetzt deine Beerdigung planen.« Mit zitternder Hand wies ich auf Alice. »Diese gute Frau hat soeben deine jämmerliche, sarkastische Person von der Schwelle zum Tod gezerrt«, fuhr ich ihn an. »Und das meine ich wörtlich.«
Sofort hörte Damon zu zappeln auf, und die finstere Miene verschwand von seinem runden Babygesicht. »Wirklich?«, keuchte er, verdrehte die Augen zu Alice und starrte sie ehrfürchtig an. »Bitte vergeben Sie mir, Doktor«, flehte er. »Sie sind zweifellos ein absolut rettender Engel, und ich bin ein elender, undankbarer Bastard.«
Alice zwinkerte mir zu, dann zogen sie und die
Schwester sich zurück. »Fünf Minuten«, flüsterte sie, als sie sich an mir vorbeischob. »Er ist noch lange nicht über den Berg.«
»Also«, sagte ich, ließ mich auf einen Stuhl fallen und fasste nach Damons Hand. »Kannst du dich erinnern, was passiert ist?«
Statt eine Antwort zu geben, schloss Damon die Augen. Ein seliges Strahlen breitete sich über sein glänzendes Gesicht aus, fast als lasse er einen schönen Traum noch einmal an sich vorüberziehen. »Oh Gott, Sue, das Licht«, seufzte er. »Vor allem erinnere ich mich, dass da dieses strahlende goldene Licht war … es war so schön … unbeschreiblich.«
Fasziniert von dieser plötzlichen Verwandlung, die über ihn gekommen war, saß ich da und wusste nicht, ob ich ihn unterbrechen sollte. Denn als ich ihn fragte, woran er sich erinnere, hatte ich natürlich nur an die Einzelheiten des schrecklichen Flugzeugabsturzes und seine Nacht im eiskalten Wasser der Narrangansett Bay gedacht, die eine Tortur gewesen sein musste.
Aber Damon erinnerte sich offensichtlich an etwas ganz anderes.
Er hielt die Augen fest geschlossen. Und dann, ohne Vorwarnung, wich seine friedliche Miene einem Ausdruck der Furcht. »Sue«, rief er und quetschte meine Hand so heftig, dass ich schon fürchtete, er werde mir ein paar Knochen brechen. »Sue?«
Ich legte meine andere Hand auf seine und löste sanft seine verkrampften Finger. »Ich bin hier, Damon«, versicherte ich ihm. »Du bist jetzt in Sicherheit, aber du bist mit dem Flugzeug abgestürzt. Kannst du dich daran erinnern?«
Plötzlich riss Damon seine großen braunen Augen auf. »Das Flugzeug? Oh Gott, wie konnte ich dieses winzige Mistding vergessen?«, antwortete er aufrichtig verärgert. »Erinnere mich daran, dass ich nie wieder in so ein Ding steige …« Dann begann seine Unterlippe zu zittern wie bei einem Kind, kurz bevor es in Tränen ausbricht. »Herrgott, Sue«, stöhnte er, »jetzt erinnere ich mich an alles. Ich hatte solche Angst …«
»Das muss schrecklich gewesen sein, so im Meer zu treiben …«, sagte ich mitfühlend.
Ungeduldig schüttelte Damon den Kopf. »Ich meinte nicht den verdammten Absturz«, unterbrach er mich. Dann wurde er wieder von Panik ergriffen, und die Worte sprudelten hastig aus ihm heraus. »Herrgott, Sue, ich muss es dir sagen … Ich habe ihn gesehen, und er hat mich angestarrt, und er hat ausgesehen wie ein fürchterlich böser Geist …«
Wieder quetschte Damon meine Hand, bis es wehtat. Sein Blick wirkte gehetzt, und er versuchte aufzustehen.
»Ist ja schon gut«, sagte ich zärtlich. Ich hatte schreckliche Angst, dass er sich ernsthaft verletzte. Hektisch sah ich zu den Fenstern, die auf den Flur führten, und hoffte, Alice oder eine der Schwestern auf mich aufmerksam machen zu können. »Alles ist vorbei«, beruhigte ich Damon. »Du bist in Sicherheit. Aber du musst bitte still liegen.«
»Sue.« Damon rang nach Luft, und sein Gesicht zog sich genauso zusammen, wie ich es vor zwei Nächten im Traum gesehen hatte. »Ich muss dir erst etwas sagen …«
»Pssst«, flüsterte ich. »Bitte, Damon, lieg einfach still und versuch nicht zu sprechen. Wir reden später, wenn du dich ausgeruht hast …«
»Bobby!«, stieß er gurgelnd hervor, schwang seine molligen Beine aus dem Bett und erstickte fast an seinem eigenen Schleim. »Ich habe Bobby gesehen«, keuchte er. »Du musst mir zuhören, Sue!«
»Was in Gottes Namen hat er gemeint?« Ich hatte die Frage, auf die es keine Antwort gab, jetzt zum zehnten Mal gestellt. Meine Hände zitterten so heftig, dass ich kaum in der Lage war, den Kaffeebecher aus der Cafeteria zum Mund zu führen. Sekunden, nachdem Damon seine unglaubliche Behauptung aufgestellt hatte, waren Alice und zwei Schwestern in
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