Die Frau vom Leuchtturm - Roman
nicht essen willst, dann gib sie doch um Himmels willen mir.‹«
»So etwas hatte ich mir gedacht«, meinte Dan. Erneut hob er sein Glas. »Auf Damon. Möge er bald bei uns sein und uns helfen, die Shrimps aufzufuttern.«
»Auf Damon!« Tränen standen in meinen Augen, als ich mein Glas hob und es an Dans klingen ließ. »Gott steh ihm bei.«
Dan hatte ein Essen bestellt, das genau das Richtige für gestresste Mägen war. Nach dem Salat gab es ein köstliches, luftiges Soufflé mit zarten Pilzstücken und Hähnchenbissen, und zum Dessert ein einfaches Limettensorbet.
Während wir aßen, unterhielten wir uns optimistisch über Alice Cahills Können und Damons zähen Kampf um sein Leben. Es dauerte nicht lange, bis ich eine witzige Anekdote über eine ältere Matrone aus der besten New yorker Gesellschaft erzählte, die überzeugt war, Damon sei die Reinkarnation eines schneidigen englischen Lords, der sie 1935 zu ihrem Debütantinnenball begleitet hatte. Als ich zu Ende erzählt hatte, lachten wir beide wieder. Und ich fühlte mich wirklich viel besser.
Gleich nach dem Essen riefen wir im Krankenhaus an. Alice konnte nicht ans Telefon kommen, aber die Dienst
habende Schwester auf der Intensivstation erklärte uns, Damons Befinden sei praktisch unverändert.
Später saßen wir im Halbdunkel auf einem Sofa und sahen zu, wie über Boston kalter Regen fiel. Der Gedanke, dass ich Damon möglicherweise verlieren würde, drückte mich nieder. Unser Gespräch wandte sich dem Thema Ewigkeit zu, und wir spekulierten darüber, was uns jenseits des irdischen Lebens womöglich erwartete.
Nach meinem Erlebnis mit Aimee Marks war ich überzeugt davon, dass Damons Geist weiterleben würde, selbst wenn der schwache Faden reißen sollte, der ihn an diese Existenz band, und das vertraute ich Dan auch an. Und ich gestand ihm, dass die Begegnung mit dem freundlichen Geist meiner Ahne mir auch half, mit Bobbys Tod fertigzuwerden.
»Möchtest du mir nicht von Bobby erzählen?« Dans Arm lag leicht um meine Schultern, und im Halbdunkel konnte ich seine Züge nicht erkennen.
Ich rückte unbehaglich hin und her und zog die Beine auf das Sofa. »Ich habe dir doch schon von Bobby erzählt«, sagte ich ausweichend.
»Nein, Sue. Du hast mir nur erzählt, wie er gestorben ist und wie untröstlich du über seinen Verlust bist«, meinte Dan herausfordernd. »Ich würde über Bobby gern solche Dinge erfahren, wie ich sie heute von dir über Damon gehört habe. Was für eine Art Person er war. Die kleinen Dinge, die er gesagt und getan hat, um sich deine große Liebe zu verdienen.«
»Bitte nicht, Dan«, flehte ich. »Nicht ausgerechnet jetzt.«
»Warum?«, fragte er. »Warum nicht jetzt?«
»Das ist eine schwierige Zeit für mich«, gab ich zurück.
»Das weiß ich«, meinte er. »Für mich ist es auch nicht einfach. Aber ich habe mir den Zeitpunkt nicht ausgesucht, Sue. Keiner von uns hat das. Du bist einfach aus dem Nichts in mein Leben getreten. Niemand hat das geplant, und auch ich war ganz bestimmt nicht bereit dafür.« Heftig stieß er den Atem aus, offensichtlich frustriert über die Gefühle, die er empfand. »Aber hier sind wir nun mal«, schloss er.
»Ja«, pflichtete ich ihm bei, »hier sind wir.« Ich glaubte zu verstehen, was er empfand. Denn seit unserer ersten Begegnung auf der Insel nagte die gleiche Frustration an mir. Damals war ich in einen Strudel unsinniger Schuldgefühle gestürzt, weil ich unser Gespräch einfach genossen hatte. Irgendwie schien es nicht fair zu sein, ein so schlechtes Gewissen zu haben, nur weil ich am Leben war.
»Warum willst du diese Dinge über Bobby jetzt wissen?«, fragte ich, meine Art, Fragen auszuweichen, auf die ich, wie ich fürchtete, keine einfachen Antworten hatte.
»Weil«, sagte Dan leise, »ich dabei bin, mich in dich zu verlieben. Und ich weiß nicht, wie ich mit einem toten Liebhaber konkurrieren soll, der für dich nie etwas anderes sein kann als jung, stark und perfekt.«
Seine Antwort traf mich schwer, denn Laura hatte fast dasselbe gesagt, als sie mit mir über das Problem gesprochen hatte, über den Verlust eines geliebten Menschen hinwegzukommen, der, so wie Bobby, spurlos verschwunden ist. Und ich glaube, dass sie ausnahmsweise vollkommen Recht hatte. Denn jedes Mal, wenn
ich an Bobby dachte, konzentrierten sich meine Gedanken - und die Träume - unweigerlich auf die guten Seiten unserer Beziehung und niemals auf die dunkleren Momente.
»Bobby war alles andere als
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