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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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einem hochlehnigen Sessel bei ihrem Lieblingsfriseur
gemütlich gemacht hatte, als sie auf einem weißen Stuhl, in einem Raum mit
weißem Boden, weißen Wänden und dem viel zu grellen Oberlicht, das von überall
und nirgends zu kommen schien und der Atmosphäre etwas Surreales gab, wartete. Gerne
hätte sie ihre Beine hochgelegt, doch es gab nichts, worauf sie diese hätte
legen können. Konzentriert las sie in der letzten Ausgabe der Vogue über die
Modetrends, die Frauen von (dieser) Welt in Kürze überschwemmen würden und
warum man dieses oder jenes Kleidungsstück als absolutes Muss in seinem Schrank
haben sollte. Was sich die Designer alles einfallen ließen, war nicht immer ein
hinreichender Beweis für deren tadellosen Geschmack; unglaublich, schüttelte
sie den Kopf. Inspiriert von der kurz bevorstehenden ersten bemannten Marslandung
versuchten sie diese Tatsache nun in allen möglichen Facetten in ihren Entwürfen,
die meistens weder sehr originell noch sehr ansprechend waren, zu Geld zu
machen. ›Die Frau im Mars‹ hieß der Artikel mit einer kolossalen Fotostrecke,
die nahezu die Hälfte des Magazins einnahm. Die Models konnte man dabei um
dreihundertsechzig Grad drehen, um in den vollen Genuss des jeweiligen Designs
zu kommen.
    Plötzlich wurde die Wand ihr gegenüber, die gerade noch in abstraktem
Weiß erstrahlte, schwarz. Ein seriöses Gesicht tauchte auf, mit einer Stimme,
die eine nicht so selbstbewusste Person vermutlich als furchterregend und
angsteinflößend empfunden hätte. Das Gesicht bewegte die Lippen und die Worte, die
es sprach, schienen aus allen Richtungen auf sie einzuströmen: »Bitte, Ms
Parker, treten Sie doch ein.«
    Shannon schickte ihr charmantestes Lächeln zurück und
beendete das Vogue-App. Sie stand auf, strich die Falten aus ihrem Rock und
schritt langsam in den Raum, in dem die Auswahlkommission versammelt saß. Es
war nicht unbedingt ihre bevorzugte Garderobe, aber zu offiziellen Anlässen war
der klassische Stil noch immer der beste. Ihr schwarzes Kostüm – Anfang 21.
Jahrhundert – war bei Ms Parker, der engagierten Karrierefrau, genauso stimmig,
wie bei Shannon, der perfekt gestylten Privatperson. Nur Shannon, die
Astronautin, konnte sich in diesem Outfit, dem sowohl die wärmeregulierende
Unterwäsche, der enganliegende Overall als auch das golden verspiegelte Visier
des Helms fehlte, nicht wiederfinden; ganz abgesehen von der suggestiven
Wirkung der Abenteurerin und Entdeckerin, die der Anzug ausstrahlte. Kerzengerade,
als hätte sie zum Frühstück ein Laserschwert verschluckt, mit einem strahlenden
Lächeln auf den Lippen und wehendem Haar schritt sie, ungeachtet der hohen
Absätze, schwungvoll auf den weitläufigen Tisch zu, der als großes U angelegt
war.
    »Bitte, nehmen Sie doch Platz«, sagte George Low, der
Vorsitzende und wies mit seiner rechten Hand auf die einzig freie
Sitzgelegenheit an der offenen Seite des Us.
    Nachdem Shannon gekonnt – und das war für die männlichen
Mitglieder der Kommission von essentieller Wichtigkeit –, ohne auf den nicht
unwesentlichen Hüftschwung zu vergessen, zu ihrem Sessel gestöckelt war, setzte
sie sich und stellte ihre Beine sittsam nebeneinander. Ihr Rock rutschte nach
oben.
    Wohlwollend, als hätte sie gerade ihre erste Prüfung
bestanden, nickte ihr Mr Low zu. »Liebe Ms Parker. Herzlichen Dank, dass Sie
unserer Einladung gefolgt sind. Sie wissen natürlich, worum es geht. Aufgabe
dieses Gremiums ist es, die Frau zu finden, die die erste Mission zum Roten
Planten leiten wird. Viel ist in den letzten Wochen und Monaten in den Medien
darüber diskutiert und spekuliert worden. Es ist schon richtig, theoretisch
käme auch ein Mann für diese Position in Frage, aber wir haben – auch gegenüber
der Öffentlichkeit – nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir uns für diese
einzigartige und geschichtlich relevante Position eine Frau wünschen.« Er
scrollte an seinem Lesegerät. »Es geht hier und heute weder um körperliche …«
    Shannon saß aufrecht und streckte, als wäre ihr Stichwort gerade
gefallen, ihre Brust noch weiter heraus.
    »… Fitness«, sagte er schließlich, »noch um ihre bisherigen
Qualifikationen. Auf beiden Gebieten erreichen Sie eine Punktezahl, die Sie zweifelsohne
nicht nur für den ersten Flug, sondern auch für die beiden folgenden im
Auswahlverfahren bestätigen würde.«
    Shannon strahlte ihn an und hoffte, nicht zu aufdringlich zu
wirken. »Danke sehr«, antwortete sie mehr als

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