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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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korrekt und senkte ihren Blick,
als würde sie zu ihren Knien sprechen.
    »Nein! Nur keine falsche Bescheidenheit«, hakte der
Vorsitzende sofort nach, der ihre Körpersprache offensichtlich ihrem Wunsch
gemäß deutete. Die Frauen nickten zustimmend. Sechzig Prozent der Mitglieder der
Kommission waren Frauen, damit wollte man der Tatsache entgegenwirken, dass ein
Mann den Vorsitz und damit, sollte es hart auf hart gehen, auch die endgültige
Entscheidung inne hatte. »Wir alle hier«, und Mr Low wies mit einer jovialen
Geste in die Runde, »wollen heute von Ihnen Antworten auf ein paar Fragen hören,
von denen wir denken, dass eine zufriedenstellende Beantwortung dieser, ein
unabdingbares Muss für die bevorstehende Aufgabe und damit verbundene Verantwortung
ist, die sie als Leiterin übernehmen.« Er sah auf und, nachdem er jedes
einzelne Mitglied des Gremiums gemustert hatte, wandte sich sein Blick Shannon
zu. »Wie stellen Sie sich Ihre Position als Kommandantin vor? Was empfinden Sie
bei dem Gedanken, als Vertreterin des Planeten Erde als erste Ihren Fuß auf den
Mars zu setzen?«
    Bei diesen Worten bemerkte sie, wie sein Blick ihre Beine
entlangglitt und an den Spitzen ihrer Schuhe haften blieb. Sie schlug ihr
linkes Bein über das rechte und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
    »Denken Sie, dass Sie Menschen aller Hautfarben, aller
Religionen und aller Altersgruppen zu repräsentieren im Stande sind? Warum
glauben Sie, dass Sie die Beste für diesen Job sind? Und, was ist Ihnen an der
Mission so wichtig, dass Sie sich als Kommandantin dafür beworben haben?«
    Shannon kannte die Fragen natürlich und sie hatte weder an
Zeit noch an Mitteln gespart, um sich mit ihrem persönlichen Coach intensiv und
gründlich darauf vorzubereiten. Die Fragen blieben immer dieselben, nur das
Ziel, das sich dahinter verbarg, war ein anderes. Einmal war es die Astronautin
für ihren Einsatz auf der Armstrong-Tranquillity-Base gewesen, ein andermal die
Kommandantin für die Tsiolkovsky-Farside-Base. Nur die Antworten mussten immer
aufwändiger, gefinkelter und diffiziler ausfallen, je verantwortungsvoller die
Position bzw. je mehr geschichtliche Bedeutung dieser beigemessen wurde. Die
Menschheit, oder genauer gesagt zumindest die Ares Limited, wollte nicht eine
Person als ersten Menschen auf einem anderen Planeten stehen haben, von der
sich womöglich Jahrzehnte später herausstellte, dass er ein Soziopath, ein
Psychopath oder noch was Schlimmeres gewesen war und mehr Leichen im vielzitierten
Keller zu verbergen hatte, als ein durchschnittlicher Vertreter des Homo
sapiens.
    »Also«, begann Shannon mit
ihrem bezaubernden Lächeln, »ich sehe die Position der Kommandantin auf dem
Flug folgendermaßen.« Wie oft war sie vor dem Spiegel gestanden, hatte ihr
charmantes Lächeln aufgesetzt, versucht, dessen feine Nuancen abzuschätzen, zu
dosieren; gewinnend, aber nicht aufdringlich, sollte es sein. Dann hatte sie sich
hunderte Male korrigiert; es hieß nicht ›meine Position als Kommandantin‹ sondern
›die Position der Kommandantin‹ anderenfalls gab es keine Position für sie als
Kommandantin. Doch irgendwann hatte sie es internalisiert.
    Zwei Stunden später gab es von allen Mitgliedern der
Kommission ›stehende Ovationen‹ für Shannon; begeistert war der Applaus, der
ihr entgegenschlug und sie glaubte hie und da eine einsame Träne in den
Gesichtern zu sehen. Was für eine Frau, was für eine Kommandantin, was für ein
Energiebündel, was für ein Charisma. Konnte sich die Erde etwas Besseres
wünschen, als diese Astronautin als Vertreterin ihrer Rasse als erste auf dem
Mars landen zu sehen? Selbst Shannon war von der enormen Wirkung, die sie bei
diesem Hearing auf die Kommission hatte, überwältigt.
    »Wir werden dir unsere Entscheidung so bald wie möglich
mitteilen«, versicherte ihr George Low grinsend, so leise, dass sie es kaum
vernehmen konnte, während er ihr die Hand schüttelte.
    Sie erschrak, als sie das vertraute ›du‹ vernahm und mit
einem Mal fühlte sie ihre Wangen pulsieren.
    Großmütig und vielleicht auch etwas von oben herab schien
ihr sein Lächeln, als er sie ansah.
    »Danke! Herzlichen Dank«, stieß sie rasch hervor, nickte den
Damen und Herren zum Abschied noch einmal zu, ehe sie mit leichtfüßigen
Schritten den Raum verließ.

9
    San
Francisco Bay, 2065
    Die Lider zuckten. Unter ihnen tanzten
die Augen ihren nimmermüden Tanz. Gerade noch war sie damit im Begriff gewesen,
im Reich der

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