Die Frauen der Calhouns 03 - Lilah
verzichten.
Weil es still war und weil ihre Sinne auf ihn konzentriert waren, hörte sie Max die Stufen heraufkommen und vor ihrer Tür zögern. Sie hörte zu atmen auf, obwohl ihr Herz schneller schlug. Ob er jetzt diese Tür aufstieß und zu ihr kam, um ihr zu sagen, was sie unbedingt hören wollte?
Sie sah förmlich, wie er nach dem Türknauf tastete. Dann hörte sie wieder seine Schritte, als er über die Terrasse zu seinem eigenen Zimmer ging.
Sie stieß seufzend den Atem aus. Es hätte seinen Prinzipien widersprochen, ein Schlafzimmer ohne Einladung zu betreten. Auf der Wiese hatte er sich mehr nach seinen Instinkten als nach seinem Verstand gerichtet. Niemand mochte das lieber als Lilah. Für ihn war es nur der Augenblick gewesen, der Mond, die Stimmung. Man konnte ihm schwerlich einen Vorwurf daraus machen, ganz sicher nicht erwarten, dass er so empfand wie sie. Sie so begehrte, wie sie ihn begehrte.
Sie hoffte von ganzem Herzen, dass er keinen Moment Schlaf finden möge.
Sie schniefte, schmeckte die Schokolade am Gaumen und begann nachzudenken. Erst vor zwei Monaten war C. C. zu ihr gekommen, verletzt und wütend, weil Trent sie geküsst und sich dann dafür entschuldigt hatte.
Lilah spitzte die Lippen und rollte sich auf den Rücken. Vielleicht war das typisch männliche Naivität. Es war schwer, dieser Gattung etwas übel zu nehmen, womit sie geboren wurde. Falls Trent sich entschuldigt hatte, weil ihre Schwester ihm etwas bedeutete, konnte es sein, dass es bei Max genauso war.
Das war eine interessante Theorie, die auch nicht allzu schwer zu beweisen sein sollte. Oder zu widerlegen, dachte sie mit einem Seufzer. Wie auch immer, es war wahrscheinlich das Beste, Bescheid zu wissen, bevor sie sich tiefer verstrickte. Sie brauchte lediglich einen Plan.
Lilah beschloss, das zu tun, was sie am besten konnte. Sie würde eine Nacht darüber schlafen.
6. K APITEL
In einem Haus von der Größe von The Towers war es nicht schwer, jemandem einen oder zwei Tage lang auszuweichen. Max stellte fest, dass Lilah ihn so lange gemieden hatte. Er konnte es ihr nicht verübeln, nachdem er die Dinge so gründlich verbockt hatte.
Dennoch ärgerte es ihn, dass sie nicht eine einfache und aufrichtige Entschuldigung akzeptierte. Stattdessen hatte sie die Sache in etwas … verdammt, wenn er doch nur wüsste, in was sie die Sache verdreht hatte. Er war nur sicher, dass sie seine Worte falsch ausgelegt hatte und dann eingeschnappt davongerast war.
Und sie fehlte ihm wahnsinnig.
Max war in diesen Tagen reichlich beschäftigt mit seinen Büchern und den alten Familienpapieren, die Amanda peinlichst genau nach Datum und Inhalt geordnet hatte. Er fand den seiner Meinung nach letzten Hinweis auf die Halskette in einem Zeitungsartikel über ein Tanzdinner am 10. August 1913 in Bar Harbor. Zwei Wochen vor Biancas Tod.
Er erstellte eine Liste aller Angestellten, die im Sommer 1913 in The Towers gearbeitet hatten. Einige von ihnen konnten noch leben. Zuversichtlich beugte Max sich über die Liste.
»Hart am Arbeiten, wie ich sehe.«
Er blickte verblüfft auf und entdeckte Lilah in der Tür des Abstellraums. Niemand brauchte ihr zu sagen, dass sie ihn aus der Vergangenheit gerissen hatte. Angesichts seines ausdruckslosen, eulenhaften Blicks hätte sie ihn am liebsten umarmt. Stattdessen lehnte sie sich gegen den Türrahmen.
»Störe ich dich?«
»Ja … nein.« Verdammt, ihm lief praktisch das Wasser im Mund zusammen. »Ich habe … äh … eine Liste gemacht.«
»Ich habe eine Schwester, die ist genauso.« Ihre Haare fielen wie Flammen über ihr fließendes weißes Sommerkleid. Lange Malachitschnüre schwangen an ihren Ohren, als sie näher kam.
»Amanda.« Er legte den Stift, der in seiner Hand feucht geworden war, beiseite. »Sie hat großartige Arbeit mit diesem Katalogisieren geleistet.«
»Sie ist ganz wild aufs Organisieren.« Lässig stützte sie eine Hüfte gegen den Tisch. »Ich mag dein T-Shirt.«
Es war das Hemd mit dem witzig gezeichneten Hummer, das sie für ihn ausgesucht hatte. »Danke. Ich dachte, du wärst bei der Arbeit.«
»Heute ist mein freier Tag.« Sie kam um den Tisch und beugte sich über seine Schulter. »Hast du dir je einen genommen?«
»Was genommen?«
»Einen freien Tag.« Sie strich ihre Haare beiseite und wandte ihm ihr Gesicht zu. »Zum Spielen.«
Sie tat das absichtlich, daran gab es keinen Zweifel. Vielleicht genoss sie es zuzusehen, wie er einen Narren aus sich machte. »Ich bin
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