Die Frauen der Calhouns 05 - Megan
ich gehört habe, muss Mr van Horne Nathaniel wohl unter seine Fittiche genommen haben. Ich meine, das spricht ja für ihn, nicht wahr? Der Himmel weiß, wie nötig der Junge jemanden brauchte, der sich um ihn kümmerte, bei dieser schrecklichen Kindheit.«
»Wirklich?« Megan drängte normalerweise nicht gern, aber Coco brauchte einen kleinen Anreiz.
»Seine Mutter starb, als Nathaniel noch klein war. Der arme Junge. Und sein Vater …« Cocos Lippen wurden dünn. »Der Mann war ein Tier. Persönlich habe ich ihn nie kennengelernt, aber die Gerüchte, die über ihn in der Stadt kursierten … abscheulich! Und ich habe die Blutergüsse bei Nathaniel gesehen, wenn Holt und er uns frischen Fisch brachten.«
»Blutergüsse?« Megan war entsetzt. »Sein Vater hat ihn geschlagen?«
Cocos Augen schimmerten nun verdächtig. »Ich fürchte, ja.«
»Aber hat denn niemand etwas dagegen unternommen?«
»Der Mann hat die üblichen Ausreden benutzt – der Junge wäre angeblich gefallen oder hätte sich mit seinen Kumpanen geprügelt. Und Nathaniel hat nie widersprochen. Bei Kindesmisshandlung hat man damals oft beide Augen zugedrückt. Das ist leider heute noch oft so.« Die Tränen drohten ihre sorgfältig aufgetragene Wimperntusche zu verschmieren. Sacht tupfte Coco sich die Augenwinkel mit Megans Serviette. »Sobald Nathaniel volljährig wurde, ging er zur See. Sein Vater starb vor ein paar Jahren. Nate schickte Geld für die Beerdigung, aber selbst gekommen ist er nicht. Wer sollte ihm das auch verdenken?« Coco seufzte und schüttelte sich leicht. »Eine so traurige Geschichte wollte ich gar nicht erzählen. Aber sie hat ja ein gutes Ende, nicht wahr? Aus Nate ist ein wunderbarer Mann geworden.« Ein lauerndes Funkeln trat in ihre Augen, nur schlecht kaschiert von den Tränen. »Ihm fehlt jetzt nur noch die richtige Frau. Er ist wirklich attraktiv, findest du nicht auch?«
»Ja.« Megan versuchte noch immer, das misshandelte Kind und den selbstsicheren Mann in Einklang zu bringen.
»Und absolut verlässlich. Zudem ein echter Romantiker. Die Jahre auf See haben ihm etwas Geheimnisvolles verliehen, meinst du nicht? Die Frau, die ihn bekommt, kann sich glücklich schätzen.«
Megan blinzelte, als ihr klar wurde, was Coco beabsichtigte. »Das kann ich nicht beurteilen, ich kenne ihn ja kaum. Und eigentlich denke ich auch nicht so intensiv über Männer nach.«
»Humbug!« Überzeugt von ihren kupplerischen Talenten, tätschelte Coco Megans Knie. »Du bist jung, hübsch und intelligent. Ein Mann in deinem Leben wird weder daran noch an deiner Unabhängigkeit etwas ändern, im Gegenteil. Mit dem Richtigen wird alles nur noch besser. Ich bin sicher, du wirst das auch noch herausfinden. Sehr bald sogar schon, wenn ich mich nicht täusche. Aber jetzt …«, sie beugte sich vor und küsste Megan auf die Wange, »… kehre ich besser in die Küche zurück, bevor dieser ungehobelte Klotz mir noch meine Lachspastetchen ruiniert.«
Sie ging Richtung Tür und stoppte dann doch mitten im Zimmer noch einmal. Sehr geschickt, da war sie sich sicher. »Ach, wo bin ich nur wieder mit meinen Gedanken!«, rief sie aus. »Ich sollte dir doch etwas von Kevin ausrichten.«
»Kevin?« Unwillkürlich blickte Megan sofort zum Fenster hinaus. »Ist er denn nicht mit Alex und Jenny zusammen?«
»Nun, ja, und auch wieder nein.« Coco lächelte zerstreut. Ein Gesichtsausdruck, den sie über die Jahre perfektioniert hatte. »Er ist schon mit Alex und Jenny zusammen, aber nicht hier. Nate hat heute seinen freien Tag. Er kam zum Lunch her. Ach, dieser Mann weiß ein anständiges Essen noch zu schätzen! Und dabei setzt er kein Gramm Fett an. Natürlich ist er auch ständig in Bewegung. Deshalb hat er ja auch diese himmlischen Muskeln überall, die man bei jeder Bewegung spielen sieht …«
»Coco, wo ist Kevin?«, unterbrach Megan den Lobgesang.
»Ach ja, Kevin. Kevin ist bei Nate. Alle sind bei ihm, er hat sie mitgenommen.«
Megan sprang auf. »Mitgenommen? Wohin? Etwa auf das Boot?« Sie sah das Schiff bereits kieloben im Wasser treiben, von haushohen Wellen umspült.
»Nein, mit zu sich nach Hause. Er will wohl eine Veranda an sein Haus anbauen, und die Kinder wollten ihm unbedingt dabei helfen. Könntest du mir den Gefallen tun und sie abholen?« Dann würde Megan auch Nathaniels hübsches kleines Haus sehen und wie wunderbar er mit Kindern umgehen konnte. »Nicht sofort natürlich, das hat noch Zeit, Suzanna kommt erst gegen fünf
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