Die Frauen der Calhouns 05 - Megan
nervös zu machen war eine Sache, sie zu drängen eine ganz andere. »Du brauchst Zeit zum Nachdenken. Ich auch. Komm, ich begleite dich zum Haus zurück.«
Sie hob abwehrend die Hand. »Ich finde den Weg auch allein.« Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und rannte den vom Mond beschienenen Pfad entlang.
Nathaniel fluchte unter angehaltenem Atem, setzte sich wieder und zog eine frische Zigarre hervor. Es wäre unsinnig, nach Hause zu gehen. An Schlaf war jetzt nicht zu denken.
Am Nachmittag des folgenden Tages hob Megan den Kopf von den Büchern, als es an der Tür ihres Büros klopfte.
»Herein.«
»Entschuldige, dass ich störe.« Coco steckte den Kopf zur Tür herein – einen Kopf mit ebenholzschwarzem Haar, wie Megan erstaunt erkannte. Scheinbar wechselte die Haarfarbe bei Coco ebenso häufig wie die Stimmung. »Du hast gar keine Mittagspause gemacht.« Mit einem beladenen Tablett auf dem Arm trat Coco ins Zimmer.
»Du solltest dir nicht so viele Umstände wegen mir machen.« Megan sah verdutzt auf die Uhr. Schon nach drei! Sie hatte nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war.
»Wir können nicht zulassen, dass du Mahlzeiten auslässt.« Coco stellte das Tablett auf den Tisch und blickte auf den Computerbildschirm. »Du meine Güte, so viele Zahlen. Zahlen machen mich immer nervös. Sie sind so … so unnachgiebig.«
»Man darf sich nur nicht von ihnen herumkommandieren lassen«, sagte Megan lachend. »Wenn man in Erinnerung behält, dass eins und eins immer zwei ergibt, kann man alles mit ihnen machen.«
Zweifelnd sah Coco auf die Tabellen. »Wenn du es sagst, Liebes …«
»Ich habe gerade das erste Quartal für ›Shipershape‹ fertig. Es war … eine Herausforderung.«
»Wie schön, dass du so denkst.« Coco wandte diesen Zahlenreihen lieber den Rücken zu, bevor sie noch Kopfschmerzen bekam. »Keiner von uns möchte dich überarbeitet sehen. Hier, ich habe dir Eistee gebracht und ein Clubsandwich.«
Es sah wirklich appetitlich aus, vor allem, da Megan heute Morgen das Frühstück hatte ausfallen lassen. Sie hatte schlicht nichts herunterbringen können. Wohl eine Nachwirkung der nächtlichen Begegnung mit Nathaniel.
»Danke, Coco. Das ist lieb von dir. Aber ich wollte dich nicht von deiner Arbeit wegholen.«
»Oh.« Coco winkte ab. »Darüber mach dir nur keine Sorgen. Um ehrlich zu sein, Liebes, ich musste unbedingt mal aus der Küche heraus – wegen dieses schrecklichen Mannes.«
»Der Holländer?« Megan biss lächelnd in das Sandwich. »Ich bin ihm heute Morgen begegnet. Irgendwo muss ich die falsche Abbiegung genommen haben und landete plötzlich im Hotelflügel in der Küche.«
Mit fahrigen Fingern nestelte Coco an ihrer schweren Goldkette. »Ich hoffe, er ist nicht ausfallend geworden. Er ist ein wenig … nun, ungeschliffen.«
»Nein.« Megan schenkte Eistee in zwei Gläser und reichte Coco eines. »Er hat mich nur von Kopf bis Fuß gemustert und brummte dann, dass ich mehr Fleisch auf den Rippen brauche. Ich fürchtete schon, er würde mir das Omelette aufdrängen, das er gerade zubereitete, aber einer der Küchenjungen ließ einen Teller fallen. Ich konnte mich davonschleichen, während er den armen Jungen herunterputzte.«
»Seine Ausdrucksweise!« Coco setzte sich und strich sich über die Seidenhose. »Widerwärtig! Und ständig hat er etwas an meinen Rezepten auszusetzen.« Schaudernd schloss sie die Augen. »Ich habe mich immer für einen geduldigen Menschen gehalten und – ohne eingebildet klingen zu wollen – auch nicht für ganz dumm. Diese Eigenschaften braucht man, wenn man vier quicklebendige Mädchen großzieht.« Mit einem Seufzer warf sie die Hände in die Luft. »Aber bei diesem Mann bin ich mit meinem Latein am Ende.«
»Du könntest ihm kündigen«, schlug Megan vorsichtig vor.
»Das ist unmöglich. Der Mann ist wie ein Vater für Nathaniel, und die Kinder vergöttern ihn geradezu, auch wenn mir das völlig unbegreiflich ist.« Sie hob die Lider und lächelte tapfer. »Ich schaffe das schon, Liebes. Außerdem muss man sagen, dass der Mann bestimmte Gerichte, einfache natürlich nur, recht gut hinbekommt.« Sie betastete ihre neue Frisur. »Und ich finde ja auch auf die eine oder andere Art meinen Ausgleich.«
Cocos erste Bemerkung hatte Megans Neugier geweckt. »Dann kennen Mr van Horne und Nathaniel sich also schon lange?«
»Über fünfzehn Jahre. Sie haben zusammen gedient, sind unter gleicher Flagge gesegelt, wie immer man das nennt. Wie
Weitere Kostenlose Bücher