DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Die Liaison muss natürlich geheim bleiben. Ihr erstes Rendezvous findet heimlich statt. Mussolini erinnert sich genussvoll: „Julia erwartete mich an der Schwelle. Sie trug eine rote Korsage, die aus dem Dunkel hervorleuchtete. Wir stiegen die Treppe hinauf, dann war sie zwei Stunden lang die meine. Ich kehrte nach Hause zurück, trunken vor Liebe und Lust.“
Das Liebesspiel bleibt für die untreue Giulia nicht ohne Folgen. Der gehörnte Ehemann, der von der Affäre ebenso Wind bekommt wie das ganze Dorf, sorgt dafür, dass seine Eltern seine Frau aus dem Haus jagen. Also mietet sich Giulia ein Zimmer, wo sie ihrer Leidenschaft für Benito ungehemmt nachgehen kann. „Damit waren wir freier als vorher. Ich besuchte sie jeden Abend. Sie wartete an der Tür auf mich. Es waren wunderbare Monate.“ Mussolini genießt die totale Macht, die er über diese Frau hat. Er erfährt zum ersten Mal, dass er andere regelrecht verführen kann.
Nachdem Giulia ihren Mann für Benito verlassen hat und nun eine alleinerziehende Mutter ist, gehorcht sie ihm bedingungslos. Er tut mit ihr, was er will. Was nicht heißt, dass sie nicht häufig streiten. Eines Tages verletzt er sie mit einem Messer. Ein andermal – sie hat gewagt, ohne ihn zum Tanzen zu gehen – attackiert er sie auf offener Straße und beißt sie in den Arm.
Für Mussolini ist das Herz einer Frau ein Objekt, über das er vollkommene Verfügungsgewalt will. Und die Arme der schönen Giulia halten ihn nicht lange.
Die jüdischen Geliebten des Faschisten
März 1904. Angelica Balabanoff hält in Lausanne eine Rede zum dreiunddreißigsten Jahrestag der Pariser Kommune. Die Veranstaltung wird von der Sozialistischen Partei Italiens organisiert. Unter den Teilnehmern sind zahlreiche Arbeiter, die in die Schweiz emigriert sind, um dem Elend auf den Feldern Italiens zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu entgehen.
Die sechsunddreißigjährige Revolutionärin entstammt dem ukrainischen Hochadel und hat an der Freien Universität Brüssel studiert. Die scharfzüngige Intellektuelle, die mehrere Sprachen spricht, verkehrt mit den wichtigsten Persönlichkeiten der kommunistischen Elite jener Zeit. Sie ist eine Frau mit liberalen Anschauungen, eine widerborstige Brünette. Angelica vertritt die feministischen Ansichten jener Zeit und hat keine Probleme, vor einer Gruppe Arbeiter das Wort zu ergreifen. Doch heute irritiert sie ein junger Mann, dessen Präsenz nahezu sinnlich fühlbar ist. Obwohl ein gewisser Wladimir Iljitsch Uljanow an der Versammlung teilnimmt, wandert Angelicas Blick immer wieder zu dem jungen Kerl hinüber, den sie noch nie bei solchen Veranstaltungen gesehen hat. Sein lebhaftes Gesicht, seine unordentliche Kleidung und der Geruch, den er verbreitet, sagen ihr, dass er einer der Arbeiter sein muss. „Es war das erste Mal, dass ich einen Menschen in einem so bedauernswerten Zustand sah.“ [8] Tatsächlich fand Mussolini keine Arbeit und lebte als Vagabund unter einer Brücke. Neugierig geworden, erkundigt Angelica sich nach ihm. „Anscheinend war er ein Schullehrer, aber es hieß, dass er viel zu viel trank, dass er krank sei und dass er immer nur Ärger machte.“ Der klägliche erste Eindruck wird durch die paar Worte, die die beiden miteinander wechseln, noch unterstrichen. „Er meint, er sei auch Sozialist, doch er scheint von diesen Fragen nicht viel Ahnung zu haben.“
Mussolini, der dem Lehrerdasein nichts abgewinnen kann, ist von der Aussicht auf den zu leistenden Militärdienst nicht eben begeistert und beschließt 1902 auszuwandern. Viele Länder hat er in Betracht gezogen, unter anderem Frankreich, die Vereinigten Staaten und sogar Madagaskar. Am Ende aber entscheidet er sich für die nahe und reiche Schweiz, wo es eine gut verwurzelte italienische Exilgemeinde gibt. Er trifft ohne einen Pfennig Geld in der Schweiz ein. Seine ersten Gelegenheitsarbeiten als Maurer, Hausmeister, Weinverkäufer und Metzgergeselle füllen den Beutel kaum. Er ist schlecht ernährt und schließt sich den Arbeitervereinen an, in denen sich die italienischen Gastarbeiter treffen. Dort fällt er wegen seines Eifers bald auf.
Man holt ihn immer wieder zu den Vorträgen und Treffen der Arbeiterunion. Bald wird er Gewerkschaftssekretär und veröffentlicht Artikel im Presseorgan der Sozialisten L’Avvenire del Lavoratore , ohne sich auch nur ansatzweise mit sozialen Theorien auseinandergesetzt zu haben. Dafür ist sein Ton bereits damals umso schärfer. So bezeichnet
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