DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
letzte Runde noch nicht eingeläutet!“ [16]
Das Spiel ist riskant, denn der Einsatz ist hoch: nicht mehr und nicht weniger als die Macht der Opposition, die Mussolini nun ein für alle Mal gebrochen sehen will. Und so wird aus dem italienischen Ministerpräsidenten der faschistische „Duce“ vom Januar 1925. Im Verlauf des Jahres baut er seine Macht aus, indem er Gesetze zu seinem Vorteil erlässt. Doch wie wird die Bevölkerung die Gleichschaltung durch Mussolini aufnehmen? Das neue politische Gebäude des „Duce“ erfordert eine Propaganda, die seinen Zielen würdig ist.
In diesem entscheidenden Moment übernimmt Margherita die Rolle der Propagandachefin. Sie bestimmt, was die Öffentlichkeit über Benito wissen soll. Sie will, dass das Volk diesen Mann, den es im Augenblick nicht besonders schätzt, lieben lernt. Dazu ist ein Mythos nötig, der Mythos vom Übermenschen. Mussolini ist ein geschickter Spieler, Margherita die Strategin, die sich hinter seinem Spiel verbirgt. Die nationale Revolution jedenfalls ist in vollem Gange. Mussolini ist der Mann, der fünfzehn Stunden täglich arbeitet, der seine außerordentliche Konzentration und seine schier übermenschlichen Kräfte für das Land einsetzt, über das er ohne Unterlass wacht. Ein Mann, der nur ein Ziel hat: mit Leib und Seele seinem Volk zu dienen. Zumindest hat Margherita beschlossen, ihn so zu inszenieren. Zu diesem Zweck schreibt sie eine detaillierte Biografie über das Leben Benito Mussolinis. Ausführlich lässt sie seine Heldentaten Revue passieren. Unter ihrer Feder verwandelt der Mann sich in ein Idol. Auch Benito hatte – vor einigen Jahren im Gefängnis – versucht, seine Autobiografie zu schreiben. Doch das Ergebnis war wenig überzeugend. Er jedenfalls merkte damals schnell, dass man mit achtundzwanzig Jahren noch wenig über sich zu berichten hat.
Margherita aber setzt auf neue Strategien. Zum einen enthält das Buch viele Fotos des „Duce“ in den verschiedensten Posen: Mussolini als junger Mann, in faschistischer Uniform, als Dompteur mit seiner Löwin, auf dem Pferd, wie er die Menge grüßt. Dabei kann Benito gar nicht reiten, obwohl sein Reitlehrer sich täglich größte Mühe gibt. Und was seine Löwin namens Italia angeht: Sie lebte zwar eine gewisse Zeit lang in seiner Wohnung, empfing ihn aber bald täglich mit ausgefahrenen Krallen, sodass er sie an den Zoo abgeben musste. Margherita aber hatte eines begriffen: Benito war nicht nur ein begnadeter Redner, er besaß eine unbestreitbare physische Präsenz, einen Körper, den es zu zeigen galt. Diesen musste man so oft als möglich und in allen erdenklichen Posen präsentieren. Auch die ungewöhnlichen Seiten des Staatsmanns finden Erwähnung: Margherita stellt die kleinen Schwächen ihres Liebhabers dar, seine Wutausbrüche und seine Niedergeschlagenheit. So erhält der Halbgott gleichsam menschliche Züge.
Doch erscheint ihr Werk zuerst nicht etwa in italienischer Sprache, sondern auf Englisch in London. Denn als Erstes möchte sie ihren Benito der ganzen Welt ans Herz legen. Ihre Pressestrategie geht auf: Das Buch ist ein unglaublicher Erfolg und wird in etwa zwanzig Sprachen übersetzt, sogar ins Türkische und Japanische.
Letztlich aber wird Margherita Opfer ihres eigenen Erfolges: Sie hat dem ehemaligen Häftling und unverbesserlichen Schürzenjäger ein neues Image verpasst, das des sittenstrengen Mannes, den die Vorsehung geschickt hat. Zu diesem makellosen Bild passt die offizielle Geliebte nicht mehr.
Die Lage verändert sich zusehends. Margherita kann nicht mehr Favoritin des „Duce“ sein. Die Zeiten des offenen Konkubinats sind vorüber. Doch Margherita will und kann auf Benito nicht verzichten. Sie müssen eben vorsichtiger sein, dürfen sich nicht mehr so oft sehen. Darüber hinaus gibt es auch „logistische“ Probleme: „Die Wohnung des Duce in der Via Rasella eignete sich nicht zum diskreten Empfang von Besuchern. Daher bot die S. dem Duce an, in die Villa Torlonia umzuziehen“, enthüllt Ercole, der Chauffeur.
Margherita selbst handelt die Konditionen mit dem Prinzen Torlonia aus. Die symbolische Miete beträgt 50 Lire im Monat. Margherita, die endlich ein passendes Quartier für Benito gefunden hat, beschließt nun, sich selbst in Rom niederzulassen. Sie hofft, durch die geografische Nähe ließe sich die Intimität der vergangenen Jahre wieder herstellen, ließe sich der Keil, den Politik und eine gewisse Müdigkeit in ihre Beziehung getrieben
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