DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
besitzen. Margherita wird von dem Mann aus dem Land gejagt, den sie liebt, den sie intellektuell und gesellschaftlich gebildet hat. Sie wird aus den Zeitschriften hinausgedrängt, die sie gemeinsam gegründet haben, die die „Kinder“ ihrer Beziehung waren. Sie wird ihrer gemeinsamen Geschichte beraubt, nichts gehört ihr mehr.
Italien verlassen – das ist alles, was Margherita in dieser Situation noch tun kann. Sie hat all ihren Einfluss auf Benito verloren und wird bald von der antisemitischen Gesetzgebung bedroht. Doch sie will nicht gehen, ohne dem zweiten Mann in ihrem Leben eine Heimstatt zu geben. Ihr Sohn ist in Stoccareddo begraben, in einem Massengrab. Sie aber will dem Helden ein Denkmal in den Bergen errichten: einen massiven Steinblock, den eine Treppe in zwei Teile spaltet. An deren oberem Ende soll eine Stele an die Tapferkeit Roberto Sarfattis erinnern, der mit siebzehn Jahren sein Leben für Italien gab. Und diese Mission will Margherita zu Ende führen, bevor sie Benito und seinem Italien den Rücken kehrt. Der König selbst wohnt der Exhumierung Robertos bei, ein stillschweigendes Zeichen der Unterstützung für Margherita, die diese Geste ihres politischen Gegners rührt. Sie hat ihre patriotischen Gefühle unter Beweis gestellt. Nun, wo sie den faschistischen Staat und seinen Führer noch einmal herausgefordert hat, kann sie ins Exil gehen. Sie wird nach Uruguay fliehen, dann nach Argentinien, um zu vergessen.
Doch die Hunderte von Briefen, die Benito und Margherita sich schrieben, die Chronik ihrer Beziehung, nimmt sie mit. Zehn Jahre später durchtrennt sie definitiv jede Verbindung zu diesem Mann, indem sie die Briefe an einen Schönheitschirurgen verkauft. Doch zuvor drückt sie noch einmal ihre rot geschminkten Lippen auf den Umschlag, in dem sie alle stecken. Die Fotografie dieses Umschlags geht durch alle Zeitungen. Und eine Frau schlägt in sinnloser Eifersucht mit der Reitpeitsche auf das Bild ein. Mussolinis Ehefrau. Denn Benito ist schon seit Jahren verheiratet und Vater einer mehrköpfigen Familie.
Die Frau und das Huhn – Fabel mussolinischer Prägung
Eine lange Verlobung
„Ich warne Sie. Rachele ist immer noch minderjährig. Wenn Sie sie nicht in Ruhe lassen, reiche ich eine Klage ein, und Sie kommen ins Gefängnis!“
„Gut!“ [18]
Herbst 1909, in der Emilia Romagna. Benito geht und tut, als wäre er mit allem einverstanden. Die Witwe Guidi glaubt, den bockbeinigen Verehrer ihrer Tochter endlich los zu sein. Doch die Nachbarin von Mussolini senior hätte sich schon zu nachtschlafender Zeit erheben müssen, um für Sitte und Anstand zu sorgen: Benito hatte Rachele auf einem Ball mit einem anderen Mann überrascht und war bereit, um sie zu kämpfen. Die junge Frau servierte seit einiger Zeit in der Bar von Vater Mussolini die Getränke. Jeder will von der kleinen Blonden bedient werden. Aber Benito sieht das nicht gern.
Alessandro Mussolini, ihr Chef, hat ihr vorgeschlagen, ihn zu einer Versammlung der Sozialisten zu begleiten, auf der sein Sohn sprechen würde. „Wir hören uns in der Stadt Benito an, und dann führ’ ich dich zum Tanz“, meint er. Rachele, die Benito von Kindesbeinen an kennt, weiß, dass er es nicht gern hat, wenn sie unter den Zuhörern sitzt. „Mir fällt nichts mehr ein, wenn du da bist“, rechtfertigt er sich. Und dann erst der Tanzabend! Das wird Benito nicht schmecken. Aber sie will einfach viel zu gern hin. Während Benito seine Rede hält, achtet Rachele sorgsam darauf, dass er sie nicht sieht. Rachele ist stolz auf ihren heimlichen Verehrer, besonders, als die Menge ihm zujubelt. Und als die Worte der Musik weichen, lässt sie sich von einem jungen Mann zu einem Walzer auffordern. Die Katastrophe steht kurz bevor: „Kaum taten wir ein paar Schritte, war auch schon Benito da. Er warf mir einen strafenden Blick zu.“ Dann reißt er sie aus den Armen ihres Kavaliers und zieht sie mit sich, um den Walzer zu Ende zu tanzen, wobei er sie „mit großen Augen ansah“.
Doch natürlich lässt Benito die Sache damit nicht auf sich beruhen. Rachele hat ihn provoziert und damit seine Leidenschaft geweckt. Jetzt ist Schluss mit dem Zirkus. Seit einigen Monaten schon macht er dem jungen Bauernmädel im Gasthaus seines Vaters den Hof. Er hat es satt mit anzusehen, wie sie immer den Gästen zulächelt und ihnen ihre „prachtvollen Brüste“ zeigte. Schließlich ist er als Erster auf sie aufmerksam geworden. Nach einigen vagen Eheversprechen und
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