DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
ebenso vagen Zurückweisungen ist sie jetzt fällig. Dieses Mal kommt sie ihm nicht so einfach davon. Ohnehin hat er seit einigen Wochen die Taktik geändert. Statt Charme und süßen Worten setzt er nun auf Drohungen: „Wenn du mich nicht willst, werfe ich mich unter die Straßenbahn.“ Oder noch besser: „Wenn du mich zurückweist, werfe ich mich mit dir zusammen auf die Straßenbahngeleise.“ Ein bewegtes Ende des Abends zeichnet sich ab.
Benito zieht das Mädchen, das er sich versprochen glaubt, mit sich nach draußen und ruft eine Droschke. Auf dem Rückweg spricht er kein Wort mit ihr. „Ich kauerte mich in meiner Ecke zusammen, und er zwickte mich fortwährend in den Arm.“
Sobald sie zurück sind, nimmt das Melodram seinen Lauf: Benito wirft der Mutter vor, dass sie ihre Tochter so einfach zum Ball habe gehen lassen. Er lässt keine Erklärung gelten. Angesichts seiner groben und ungerechtfertigten Anschuldigungen erhebt die Witwe Guidi schließlich die Stimme und warnt Benito. Dass er aber so einfach klein beigibt, hätten weder sie noch Rachele erwartet. Und natürlich kannten sie ihn schlecht.
Ein paar Minuten später kehrt er zurück, halb von Sinnen und mit einer Pistole bewaffnet. Er ist nur gegangen, um die Waffe seines Vaters zu holen, die er Mutter und Tochter jetzt unter die Nase hält: „Jetzt möchte auch ich Sie auf etwas hinweisen. Sie sehen diesen Revolver, Signora Guidi. Er ist mit sechs Kugeln geladen. Wenn Rachele mich immer noch zurückweist, dann ist eine Kugel für sie bestimmt, die anderen bleiben für mich. Die Wahl liegt bei Ihnen!“
Das ist die Methode Mussolini: Das Schicksal bezwingen wie die Frauen – unter Rückgriff auf die brutalsten Methoden. Nach zwei Minuten ist alles klar: Die Wankende ist zur Verlobung bereit. Sie scheint von der plötzlichen Wendung der Ereignisse sogar begeistert: „Ich glaubte schon mit zehn, dass ich mich in ihn verlieben müsse. Ich brauchte nur einen kleinen Schubs, um meine Zweifel zu überwinden.“
Die Bedrohung der gesamten Familie mit einer Waffe soll ein kleiner Schubs sein? Der Vergleich ist gleichwohl bezeichnend. Hat Rachele uns wirklich alles gesagt, was sie dazu bewog, Benito zu heiraten? Hören wir lieber, was der Mann, um den es geht, fast zwanzig Jahre später seiner Mätresse anvertraut: „Das Mädchen saß bei mir zu Hause, direkt vor meiner Nase: Sie war bereits erblüht, schön, gut gebaut und sie hatte prachtvolle Brüste. Sie war ein Bauernmädel, aber trotzdem schön. Ich stellte ihr nach, machte ihr den Hof, sie gefiel mir. Und eines Tages warf ich sie auf einen Sessel und entjungferte sie […] mit der mir eigenen Heftigkeit. Und so ging das eine Zeit lang dahin, bis sie mir eines Tages sagte: ‚Benito, ich bin schwanger.‘ Und ich sagte: ‚Na, dann heiraten wir eben.‘“ [19]
Den Revolver vor Augen, konnte die Witwe Guidi schlecht Nein sagen. Doch schon am nächsten Tag, als sie sich von dem Schrecken erholt hat, schickt sie Rachele gleichsam ins Exil zu ihrer Schwester Pina, in ein Dorf, das etwa fünfzehn Kilometer entfernt liegt. Der Versuch, Rachele vor ihm in Sicherheit zu bringen, stärkt Benitos Entschlossenheit nur. Tag für Tag legt er die Entfernung, die ihn von seiner Verlobten trennt, auf dem Fahrrad zurück. Sie überschreiten die Grenzen des Schicklichen nicht: Die Liebenden halten Händchen und tauschen gelegentlich einen Kuss. Doch Rachele merkt bald, dass sich da etwas rührt: „Wir waren nicht wie jene Liebenden, die einander stundenlang in die Augen schauen oder sich vergnügt im Gras rollen, wie ich es vor Kurzem vor unserem Haus gesehen habe.“
Benito ist frustriert. Er will der Familienposse ein Ende setzen. Da fährt er nun kilometerweit mit dem Fahrrad und kann seine Leidenschaft dennoch nicht kühlen. Eines Nachmittags im Januar 1910 kommt er viel früher als sonst. Dann erklärt er Racheles Schwester spöttisch, er habe für sich und seine Verlobte endlich eine Wohnung gefunden. „Ich will, dass sie mit mir lebt und die Mutter meiner Kinder wird.“ Was dann folgt, raubt der Szene jedoch jede etwa aufkommende Romantik: „Sag ihr, sie soll sich beeilen, ich habe schließlich noch mehr zu tun …“
Pina bricht in Tränen aus. Rachele rafft ein paar Sachen zusammen und folgt ihrem Liebsten, der wild entschlossen ist. Ein Paar drei Jahre alter Schuhe, zwei Taschentücher, ein Hemd, eine Schürze und sieben Lire – so beginnt das gemeinsame Leben der beiden.
Künftig wird
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