DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
eine junge Schönheit ehelicht, ruft Stalin ihn mitten in der Nacht im Zustand der Volltrunkenheit an: „Nikolai, ich gratuliere dir. Du hast mich wieder einmal überholt.“ Bucharin fragt, wie er das meint. „Nun, du hast eine gute Ehefrau, eine schöne Ehefrau, und sie ist auch noch jünger als meine Nadja“ [11] , meint der „Woschd“, der „Führer“. Nadja hat im Nebenraum alles mit angehört. Wenn er betrunken ist, ist Stalin ziemlich laut.
Obwohl der alternde georgische Casanova ein eifersüchtiger Ehemann ist, verhält er sich selbst nicht gerade vorbildlich. Stalin gehört zu den Vertrauten Kalinins, des damaligen Präsidenten der Sowjetunion. Auf einem seiner Empfänge zeigt der Georgier sich von seiner besten Seite, was prompt Nadja zu Ohren kommt: „Ich habe aus dem Munde einer jungen, hübschen Frau gehört, du hättest dich beim Dinner mit Kalinin sehr gewinnend gezeigt. Und so unglaublich amüsant. Du hast alle Gäste zum Lachen gebracht, auch wenn sie von deiner erhabenen Gegenwart regelrecht eingeschüchtert waren.“ [12] Nadja kennt die Neigung ihres Ehemanns zum Schäkern durchaus.
Stalin und Nadja – das war der Zusammenschluss eines herzlosen praktizierenden Folterknechts und einer egozentrischen, labilen jungen Frau, die von der Macht, die sie nicht gewollt hatte, in den Wahnsinn getrieben wurde.
Im Dezember 1907, nach Katos Tod, klagt Stalin, sein Herz sei auf ewig leer und ausgetrocknet. Nichtsdestotrotz sollte sich darin später doch noch ein Kämmerchen für eine andere Frau finden.
1917, die Revolution war schon im Gange, kehrte Stalin wieder einmal aus der Verbannung zurück. Dieses Mal hatte man ihn an den Polarkreis geschickt, ins hinterste Sibirien, an einen Ort, von dem es kein Entrinnen gab. Nur der Sturz des Zarenregimes machte den Weg für die Rückkehr frei. Zurück in Sankt Petersburg, findet er Unterschlupf bei den Allilujews, einer bolschewistisch gesinnten Familie, die er schon kannte, als er noch mit Kato verheiratet war.
Hier lernt er Nadja kennen, die jüngste Tochter. Die schöne, dunkelhaarige Sechzehnjährige, die er einst aus den Fluten gerettet hat, ist kein Kind mehr. Stalin kann kaum fassen, wie schön sie geworden ist. Bar jeder Koketterie, schminkt sie sich nicht und lässt ihr Haar fallen, wie es eben fällt. Das Mädchen ist noch unberührt und dennoch ohne jede Scheu. In ihr glaubt er, Katos Unschuld wiedererstehen zu sehen. Er ist zu dieser Zeit etwa vierzig Jahre alt.
Nadja ist von ihren Eltern im Gedankengut des Bolschewismus erzogen worden. Die Familie Allilujew hat den werdenden Berufsrevolutionär Stalin in den zwanzig Jahren ihrer Bekanntschaft bei seinen geheimen Aktivitäten stets unterstützt. Er war der Gesetzlose, der sein Leben für die sozialistischen Ideale aufopferte. Jetzt würde man Stalin für ganze fünf Jahre ein Versteck bieten.
Die beiden Schwestern bleiben jeden Abend lange auf, um auf ihn zu warten. Und Stalin unterhält sie mit seiner szenischen Umsetzung russischer Klassiker. Seine Beziehung zu den beiden Kindern ist väterlicher Natur – noch.
1918 ist Stalin der einzige unter den kommunistischen Führern, der nicht verheiratet ist. Keke, seine Mutter, macht sich langsam Sorgen, und so schickt sie ihm eine georgische Bäuerin nach Moskau, mit der er seine Muttersprache sprechen kann. Doch Sosso heißt sie, wieder nach Hause zu fahren: Eine einfache Bäuerin passt nicht mehr zu der Laufbahn, die er sich für sich ausmalt. Wie würde sie sich neben all den adeligen Damen vorkommen, die mittlerweile den Kreml bevölkerten?
Er hat längst etwas anderes im Sinn – und in Händen: die junge und schöne Allilujew-Tochter. Die Revolution von 1917 ist auf ganzer Linie siegreich. Im Jahr darauf beruft Lenin die erste Regierung ein. Und Stalin erhält den Posten des Kommissars für Nationalitätenfragen. Er stellt Fjodor Allilujew, Nadjas Bruder, als Sekretär an. Nadja wird seine Schreibkraft. Die Eltern sind stolz, und gleichzeitig hat Stalin nun eine Möglichkeit, das Mädchen außerhalb des Elternhauses zu sehen. Nadja ist liebreizend und sanft, genauso eben, wie Iossif Stalin sich eine Frau vorstellt. Sie hat weder im Exil noch in den Kerkern des Zaren gelitten, und er kann sie nach seinen Vorstellungen formen. Außerdem ist sie noch Jungfrau. Er wird der einzige Mann in ihrem Leben sein.
Stalin bietet der jungen Frau zum ersten Mal eine verantwortliche Stellung und ermöglicht ihr dadurch auch wirtschaftliche
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