DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
„Als sein vom Begehren verzerrtes Gesicht sich meiner Brust näherte, spürte ich, wie ich erzitterte. Doch bevor er mich berühren konnte, nahm ich seine Hände und hielt sie fest.“
Doch dieses Mal will Felismina nicht so schnell die Segel streichen. 1910 zieht sie nach Viseu, um wenigstens in der Nähe Antónios zu sein. Aber es kommt zu ersten Unstimmigkeiten. Eines Tages läuft er ihr über den Weg, strahlend, mit einem Veilchenstrauß in der Hand. Für wen der wohl bestimmt ist? Und wieso ist er so guter Laune? Tatsächlich hat António ein Auge auf eine andere Frau geworfen, die Schwester eines Schulkameraden. Eine gute Partie. Am nächsten Tag begegnen sie einander wieder. Als er sie und ihre Schwester sieht, kommt er näher und scherzt mit ihnen. Er erzählt ihnen von Natalia de Suza, dem Mädchen, dem er den Hof macht. Herminia kokettiert mit ihm und lacht über seine Witze. Übermütig stellt er ihr eine doch recht unerwartete Frage: „Darf ich Sie kitzeln?“ Am Ende des Gespräches kocht Felismina vor Wut. So sehr, dass sie sich zu einer boshaften Bemerkung über Natalia de Suza hinreißen lässt: „Schade, dass sie so hässlich ist.“ Boshaftigkeit gegen Gekitzel – die Fehde ist eröffnet.
1910 allerdings hat Salazar andere Dinge zu tun, als Süßholz zu raspeln. Im Oktober gibt er das Theologiestudium auf und geht nach Coimbra, um sich dort für Jura einzuschreiben. Und es kommt nicht von ungefähr, dass er das priesterliche Leben gerade jetzt aufgibt. Seit einigen Wochen werden in ganz Lissabon heftige politische Debatten geführt. Vor der Ermordung des Königs 1908 wurde das Land de facto von João Franco diktatorisch regiert. Doch seine Politik der gnadenlosen Unterdrückung verschärfte die Unzufriedenheit letztlich nur und führte am Ende zur Ermordung des Königs und des Erbprinzen. Ihm folgt der schwache Manuel II., der zum Zeitpunkt der Thronbesteigung erst neunzehn Jahre alt ist. Es gelingt ihm nicht, die politischen Parteien zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Regierung um Regierung tritt zurück. Am 5. Oktober 1910 wird die Erste Republik Portugal ausgerufen. António Salazar aber schickt sich an, eine der renommiertesten Universitäten des Landes zu besuchen.
Diese Entscheidung, die man zum Teil mit Salazars steigendem Interesse an der Politik erklären kann, geht in Wirklichkeit zurück auf António Xavier Corte-Real, den letzten Spross der einflussreichen und angesehenen Familie Perestrelo. Er war es, der Salazars Vater folgenden Ratschlag gab: „Dein Sohn ist nicht zum Priesteramt berufen. Er sollte nicht weiter aufs Seminar gehen. Der Junge ist intelligent, er sollte studieren.“ António bewohnt ein bescheidenes Zimmer in der Couraça de Estrela, seine Mahlzeiten aber nimmt er bei seinen neuen Förderern, der Familie Perestrelo, ein. Dort schlägt er sich auf Wunsch von Maria Pina Perestrelo regelrecht den Bauch voll. Sie mag es nicht, dass er so dünn ist.
Der Umgang mit dieser neuen und aristokratischen Welt, in die seine Gönner ihn einführen, verleiht António ein ganz neues Selbstbewusstsein. Nun laden die guten Familien, die Töchter im mannbaren Alter haben, ihn regelmäßig zum Abendessen ein. Das Ansehen seiner Gönner öffnet ihm Tür und Tor, und António weckt so manche Leidenschaft. Er tauscht seine dunklen Anzüge gegen hellere aus und lernt, sich in der mondänen Welt zu bewegen. Da man ihn nun allenthalben sieht, gilt er bald als eine der besten Partien im Land – obwohl er weder von Adel ist noch über ein nennenswertes Einkommen verfügt. Doch die Frauen lieben ihn. Die Abende in illustrer Gesellschaft enden fast immer mit romantischen Spaziergängen am Meer am Arm einer der jungen Damen der Gesellschaft [2] .
Felismina hingegen weiß nicht mehr, wie ihr geschieht. Sie ist ihrem Seminaristen immer noch treu und versteht nicht, wieso Natalia de Suza und ihre Freundinnen sie ganz offen auslachen, wenn sie ihnen begegnet. Salazars Amouren sind längst über Coimbra hinaus bekannt. Die ganze Stadt weiß, was der ehemalige Seminarist so treibt. Und Felismina bereut, dass sie ihn nicht erhört hat.
Währenddessen begehren die katholischen Studenten der Universität gegen den Antiklerikalismus der neuen Republik auf, wohingegen Konservative und Republikaner sie unterstützen. António gibt sich alle Mühe, keine der Parteien zu verprellen, und wird Mitglied des Akademischen Zentrums für christliche Demokratie, wo er Freunde gewinnt, die zeit seines Lebens
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