DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
hält sie fest.
Im Sommer 1922 geht der amouröse Sommerreigen weiter. Man sieht sich wieder in Santa Comba Dão, während Maria do Resgate langsam stirbt. Salazar macht Felismina mit böser Regelmäßigkeit den Hof. Eines Morgens geht sie in das Gärtchen neben dem Gemüsegarten und lässt sich mit einem Buch auf der Veranda nieder. António folgt ihr und setzt sich ganz nah neben sie. Sie ist von diesem ihr aufgenötigten Tête-à-Tête verwirrt. Sie versucht ein Gesprächsthema zu finden, ist aber so aufgeregt, dass sie am Ende gar vom Stuhl fällt. Sie lehnt seine hingestreckte Hand ab, erhebt sich schnell und verletzt sich an einem vorstehenden Nagel. Sie fängt an zu bluten und wendet sich zum Gehen. António verstellt ihr den Weg, nimmt ihre Hand und bleibt schwer atmend einen Augenblick lang unbewegt stehen. Er errötet, und sie versteht plötzlich, was er von ihr will: „Sein Mund verzog sich schmerzlich, und seine Augen … Oh, seine Augen. Ich weiß nicht, was darin stand. Im ersten Moment dachte ich: Liebe. Im zweiten habe ich mich gefragt: Und wenn er mich doch nur verführen will?“
Einmal mehr schlägt die Annäherung fehl. Dabei sind sie keine Kinder mehr. Salazar ist dreiunddreißig Jahre alt, Felismina fünfunddreißig. Die Jahre vergehen ebenso wie die Gelegenheit, sich näherzukommen. Salazars Gefühle nutzen sich ab. Felismina strickt fleißig am Heiligenschein der Entsagung, liebt ihn aber immer noch. António aber ist mit dem Aufstieg zur Macht beschäftigt. Im April 1928 schreibt sie an den damaligen Finanzminister Salazar: „Wie immer schreibe ich Ihnen, dass ich Sie nicht vergessen habe: nicht heute und nicht morgen (Ich bin fast 42!). Ich werde mich immer unserer Freundschaft erinnern, die vom Herrn gesegnet ist, denn sie ist im Grunde ihres Wesens die Würze meines Herzens.“
Der Geheimagent Salazars
Die Würze hat durch ihre Weigerung allmählich an Aroma verloren, doch ihr alter Galan versteht es, ihre Beziehung zu seinen Gunsten zu nutzen. Felismina wird eine der wichtigsten Informantinnen des Estado nuovo (Neuer Staat), des Regimes, das Salazar errichtet. Bald ist sie eine der einflussreichsten politischen Persönlichkeiten Viseus. Denn 1932 wird Finanzminister Salazar zum Regierungschef ernannt. Und Felismina wird die erste Frau, die den Posten einer Schulinspektorin einnimmt. Ohne ihre Billigung kann sich künftig niemand mehr in Amt und Würden halten. Ihr Einfluss erstreckt sich auf die gesamte Region. Und Salazar wird sich in seinen kritischsten Momenten bei ihr Rat holen. Von nun an schreibt sie ihm täglich: Die Inspektorin berichtet ihm alles, was ihr verdächtig vorkommt. Und bei einem so zwanghaften Charakter wie dem ihren ist das nicht wenig. Als das Porträt von Präsident António Óscar Carmona in allen Schulen der Region aufgehängt wird, dem einzigen Portugiesen, der über Salazar steht, teilt die leidenschaftliche Verehrerin Antónios dies ihrem Angebeteten sofort mit: „Ich, die ich Zeugin der Vorgänge wurde, kann nicht anders als mich zu empören, wenn ich eine Schule betrete und die ungleiche Anordnung der beiden Porträts sehe. Ich, die ich weiß, dass der Präsident der Republik alle Ehren einheimst, während doch Sie es sind, der für die wahre Vaterlandsliebe steht.“ [3]
Mittlerweile ist Felismina verbittert und rachsüchtig geworden. Eine der wenigen, die es wagen, die Regierung zu kritisieren. So überschüttet sie beispielsweise den Erziehungsminister mit Gift und Galle. Da sie findet, dass das Ausbildungsniveau gesunken ist, rät sie Salazar, die Lehrerbildungsanstalten zu schließen, was er auch tut. Der Ministerpräsident dankt ihr für ihren Rat und entlockt ihr immer mehr Informationen. Felismina wird zur Vorreiterin und Propagandistin der Salazarschen Ideologie: Gott, Vaterland, Familie. Die neue Verfassung proklamiert ein ständestaatliches Portugal mit Einparteiensystem. Vorüber die Zeiten des Wechsels der Regierungsparteien. Die politische Freiheit wird ebenso wie die republikanischen Institutionen außer Kraft gesetzt.
Felismina, die unerbittliche Wächterin der neuen Ordnung, wird gefürchtet wie keine Portugiesin vor ihr. Sie glaubt längst nicht mehr an Gott, sondern an Salazar. Der Erste, der ihren Zorn zu spüren bekommt, ist ein Inspektorenkollege, der zu den Blauhemden von Rolão Preto gehört. Die Bewegung orientierte sich an Mussolinis Schwarzhemden und wollte den neuen Staat mit einer paramilitärischen Miliz nach
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