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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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loyal zu ihm stehen werden. Zusammen mit Manuel Gonçalves Cerejeira, dem künftigen Kardinal von Lissabon, nimmt er an Debatten und Demonstrationen teil. Er ist nun fünfundzwanzig Jahre alt, und seine eingefallenen Züge lassen seinen Blick noch intensiver wirken. Er besitzt zweifelsohne Charisma. Daneben macht er sich auch noch einen Namen bei den künftigen Eliten des Landes.
    Der Sommer kommt. Werden sich die zarten Bande zwischen ihm und Felismina erneuern? Beide verbringen den Sommer in Santa Comba Dão. Dieses Mal geht Felismina aufs Ganze: Als sie eines Nachmittags zusammen spazieren, nimmt sie seine Hand und führt sie an ihren verlängerten Rücken. Er aber gibt sich gleichgültig und beschleunigt seinen Schritt, um sich loszumachen: „Hat er am Ende alles vergessen? Dann werde auch ich alles vergessen. Das befiehlt mir schon meine Würde.“ Der Sommer endet mit einem Fiasko.
    Die folgenden drei Jahre, in denen António in Coimbra sein Studium weiter verfolgt, sind für Felismina die düstersten ihres Lebens. Sie hadert mit Gott. Wie konnte er ihr nur einen Mann senden, den er bereits für sich selbst gefordert hatte? Ihre Gebete verlieren ihre Aufrichtigkeit. Sie kann nicht mehr glauben, was ihr gepredigt wird. „Ich war entsetzt von all den Lügen und habe aufgehört, den Predigten Gehör zu schenken.“ Doch wenn man seinen Glauben verliert, bleibt gewöhnlich eine große Leere zurück. Die Qual ihrer Glaubenskrise treibt Felismina eines Tages in einen Beichtstuhl. Von dem Gespräch mit einem Priester erhofft sie sich Erleichterung. Gleich mit ihren ersten Worten erschreckt sie den Kirchenmann: „Ich bin zwar hier, aber ich glaube nicht an das, was ich hier tue.“ Warum ist sie dann gekommen? „Weil ich immer noch der Überzeugung bin, dass der Glaube die einzige Quelle des Glücks auf dieser Welt ist.“ Der Priester macht sich um dieses verirrte Schaf wirklich Sorgen, daher will er wissen, mit wem er es zu tun hat. Doch als sie ihm ihren Namen nennt, jagt er sie aus dem Beichtstuhl. Jeder in Viseu kennt ihre Schwärmerei für den Jurastudenten. Vor allem ihre Schwester speist den Klatsch mit immer neuen Einzelheiten.
    Felismina gräbt ihre Fingernägel ins Fleisch, bis sie blutet. Sie reißt sich die Haut auf, wie um ihren Schmerz sichtbar zu machen. Im Sommer 1912 erreicht ihr Kummer seinen Höhepunkt.
    Mitten in der Nacht erwacht sie von einer Schreckensvision: Der Tod ist durchs Fenster gekommen und wartet, bis sie wieder einschläft, um sie mitzunehmen. Im Kopf hört sie eine Stimme, die ihr zuraunt: „Es gibt keinen Gott. Es gibt keinen Gott.“ Sie stürzt aus dem Zimmer, bereit, das Schlimmste zu tun. Doch ihre Tante, die von dem Lärm erwacht ist, bringt sie wieder zu sich. Am nächsten Tag blickt sie in den Spiegel. Sie hat das Gefühl, in dieser Nacht um Jahre gealtert zu sein. Kurz danach trifft sie einen Freund Antónios und gesteht ihm, ihren Glauben verloren zu haben. Erstaunt berichtet er ihr, dass António in Coimbra eine ähnliche Krise durchgemacht habe.
    Tatsächlich ist er jetzt eher bestrebt, sich den Katechismus der Verführung anzueignen. Mit Felismina versucht er einen zunächst „harmlosen“ Briefwechsel. „Ich verbiete Ihnen, je wieder meinen Weg zu kreuzen“, wirft sie ihm an den Kopf. Sie will alles von ihm oder gar nichts. Ihr Brief überschneidet sich mit seinem, in dem er schreibt, er wolle sie zurückgewinnen. Sein Brief kommt am nächsten Tag an. „Unsere Briefe haben sich gekreuzt. Er schrieb mir am selben Tag, als ich meinen Abschiedsbrief schickte. Wäre er einen Tag früher gekommen, wäre alles anders gewesen.“
    Weihnachten 1921 sehen sie sich in Santa Comba Dão wieder. Mittlerweile lehrt António politische Ökonomie an der Universität von Coimbra. Felismina hat die Einladung von Salazars Mutter angenommen. Sie verbringt den Großteil ihrer Zeit mit der guten Maria do Resgate, die mittlerweile schon über fünfundsiebzig und recht schwach ist. Von einer Freundin erfährt Felismina, Maria habe sich immer gewünscht, dass sie und ihr Sohn einmal heiraten. Doch sie sprechen nie darüber. Eines Abends werden die verhinderten Liebenden von Santa Comba Dão zu einem Abendessen in der Pfarrkirche eingeladen. Der gut gelaunte António mopst einige der kleinen Brotstückchen, die Felismina neben ihren Teller gelegt hat, und „schält“ sie. Er klaut ihr sogar Fleisch vom Teller. „Er nahm Brot und Fleisch von mir, weil er mich nicht berühren durfte“,

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