Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
dachte, dass es taktisch klüger war, nicht allzu verschwitzt und gehetzt zu wirken, nicht allzu eifrig, wenn sie miteinander redeten. Sebastian wartete einige Minuten, ehe er zur Tür ging.
Trolle öffnete bereits nach dem zweiten Klingeln. Er sah viel gesünder aus als bei ihrer letzten Begegnung, aber die Wohnung hinter ihm war genauso dunkel, und der gleiche unangenehme Geruch drang zu ihm ins Treppenhaus.
«Hab auf meinem Telefon gesehen, dass du angerufen hast. Wollte mich gerade melden», begann Trolle und verwunderte Sebastian, indem er ihm großzügig die Tür aufhielt. Sebastian trat ein.
«Wir müssen reden.»
«Sieht ganz so aus, neun verpasste Anrufe müssen ja wohl etwas zu bedeuten haben», erwiderte Trolle.
Sebastian versuchte, beschwichtigend zu lächeln, während er sich in der kleinen dunklen Wohnung umsah. Vermutlich eine Zweizimmerwohnung, die garantiert schon bessere Tage gesehen hatte. Überall lagen Zeitungen, Klamotten und Gerümpel verstreut. Die Rollläden waren heruntergezogen, es gab keine Gardinen, und die Wände waren vollkommen kahl. Es roch nach Zigaretten, altem Müll und Schmutz.
Trolle bat ihn ins Wohnzimmer. Die einzige Lichtquelle dort war irgendeine Kochsendung mit Prominenten, der Fernseher lief ohne Ton. Die Möblierung bestand aus einem Sofa, auf dem Trolle offenbar auch schlief, und einem Glastisch, der sicher irgendwann einmal teuer gewesen war, nun aber nur noch als Ablage für Weinflaschen, Pizzakartons und einen überquellenden Aschenbecher diente. Die Decke über dem Sofa war schmutzig und nikotingelb. Trolle drehte sich zu Sebastian um, registrierte dessen kritischen Blick und breitete die Arme aus.
«Willkommen in meiner Welt. Irgendwann einmal habe ich in einem weißen, zweistöckigen Haus in einem hübschen Vorort gewohnt. Jetzt wohne ich also hier. Das Leben steckt voller Überraschungen, was?» Trolle schüttelte den Kopf, ging zum Sofa und schob die schmuddelige Decke beiseite.
«Setz dich. Ich habe ein bisschen was für dich herausgefunden. Gute Sachen. Richtig gute Sachen.»
Sebastian blieb stehen und schüttelte den Kopf.
«Ich will sie nicht haben. Ich bin hergekommen, weil ich dich bitten wollte, nicht weiterzugraben.»
«Lies das erst mal, bevor du dich entscheidest.» Trolle beugte sich nach unten und hob eine weiße Ica-Tüte hoch, die neben dem Sofa gestanden hatte. Prall gefüllt, vermutlich mit Papieren. Er streckte sie Sebastian hin. «Hier ist es.»
«Ich will es nicht. Vernichte es bitte.»
«Lies es doch wenigstens, dauert bestimmt nicht länger als eine halbe Stunde. Gut investierte Zeit.»
Widerwillig nahm Sebastian die Tüte entgegen. Wahrscheinlich wog sie nur ein, zwei Kilo, aber er hatte das Gefühl, dass sie bedeutend schwerer war.
«Okay. Aber jetzt musst du aufhören. Du bekommst dein Geld, und dann musst du mir versprechen, niemals jemandem von diesem Auftrag du erzählen. Wir beide haben uns nicht einmal getroffen.»
Obwohl es in der Wohnung so düster war, konnte Sebastian sehen, wie es in Trolles Augen aufblitzte. Interesse. Das bedeutete nichts Gutes.
«Wer sollte mich denn danach fragen?» Trolle sah ihn neugierig an. «Was ist los, Sebastian?»
«Nichts. Du sollst mir einfach nur versprechen, dass du schweigst.»
«Kann ich schon machen.» Trolle zuckte mit den Schultern. «Aber du kennst mich ja. Meine Versprechen sind nicht viel wert.»
«Ich zahle dir das Doppelte.»
Trolle schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Er seufzte schwer. «Ich habe dir geholfen, und jetzt willst du mich einfach feuern und abfinden. Was glaubst du denn, wer ich bin? Ich dachte, wir wären Freunde.»
«Wenn wir Freunde sind, kannst du mir auch einfach versprechen, dass du darüber schweigst. Und dein Versprechen halten», konterte Sebastian gereizt.
«Erzähl mir lieber die Wahrheit.»
«Wenn jemand das herausfindet, ist es eine totale Katastrophe für mich.» Sebastian blickte flehend in Trolles unerbittliche Augen.
«Warum? Wer ist diese Vanja? Warum verfolgst du sie? Wer sollte mich danach fragen? Ich will es wissen! Dann höre ich wirklich auf. Aber nur dann.» Zum ersten Mal sah Trolle so aus, als würde er es ehrlich meinen.
Sebastian betrachtete ihn. Wie er es auch drehte und wendete, die Sache war aussichtslos. Log er, würde alles ein verheerendes Ende nehmen. Dann würde Trolle vermutlich aus purer Gemeinheit zu Vanja gehen und ihr alles erzählen. Sagte er die Wahrheit, würde er sich anschließend nie mehr sicher
Weitere Kostenlose Bücher