Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
nutzen. Als Vorschuss, sozusagen.
Sein Wecker hatte zur üblichen Zeit geklingelt, aber dann hatte Jenny sich schläfrig auf seine Seite des Bettes gerollt und war unter seine Decke geschlüpft. Sie hatte ihren Kopf zwischen seinen Hals und seine Schulter gelegt und ihren Arm über seine Brust. Die Schwangerschaft war noch kaum zu sehen, aber Haraldsson bildete sich ein, bereits die leichte Rundung ihres Bauchs an seinem Körper zu spüren. Und darin ein Leben. Ihr Kind. Zur Hälfte er, zur Hälfte sie. Manchmal wünschte er sich allerdings, dass das Kind mehr wie Jenny würde. Vielleicht im Verhältnis siebzig zu dreißig. Sie war so schön. In jeglicher Hinsicht. Äußerlich natürlich, aber … auch insgesamt. Möglicherweise klang der Gedanke, dass ein Mensch durch und durch schön war, wie aus einem Groschenroman entnommen. Aber Jenny war es. Warmherzig, fürsorglich, klug, humorvoll. Sie war alles, was gut war. Manchmal begriff er nur nicht, welches Glück er hatte, dass sie ausgerechnet ihm gehörte.
Er war so glücklich über die Schwangerschaft. Natürlich darüber, Vater zu werden, aber vielleicht auch, womöglich sogar noch mehr, weil es Jenny so glücklich machte. Es war über viele Jahre das Einzige gewesen, was sie sich gewünscht hatte, und es hatte lange so ausgesehen, als könnte er ihr diesen Wunsch nicht erfüllen. Als sollten sie nicht Eltern werden. Es spielte keine Rolle, wessen «Schuld» es war. Es hatte ihm nur wehgetan. Er wollte ihr alles geben.
Er liebte sie so sehr.
Das hatte er ihr an diesem Morgen auch gesagt. Sie hatte geantwortet, indem sie ihn noch fester umarmt hatte. Eines ergab das andere. Sie schliefen miteinander, und danach sagte er es ihr noch einmal.
«Ich liebe dich.»
«Ich liebe dich auch.»
«Ich habe für morgen etwas vorbereitet.»
«Pssst!» … Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen. «Sag nichts. Ich will mich überraschen lassen!»
Morgen waren sie fünf Jahre verheiratet. Er hatte den ganzen Tag durchgeplant. Erst würde er ihr das Frühstück ans Bett bringen, Tee, getoastetes Brot mit Himbeermarmelade und Käse, Rührei und knusprig gebratenen Speck, Melone und Erdbeeren mit Schokoglasur – ihm fiel auf, dass er dann wohl auch morgen zu spät zur Arbeit kommen würde. Wenn Jenny dann tagsüber in der Arbeit wäre, würde sie überraschend abgeholt und zu einer luxuriösen Wellnessbehandlung gefahren werden. Zur selben Zeit würden einige Männer kommen und auf ihrem Grundstück nach allen Regeln der Kunst einen Apfelbaum pflanzen. Einen Ingrid Marie. Jenny mochte Äpfel mit einer leichten Säure, und im Pflanzengeschäft oder Gartencenter oder wie auch immer das hieß, hatte man ihm gesagt, Ingrid Marie wäre eine geeignete Sorte. Eigentlich auch ein schöner Name. Wenn sie eine Tochter bekämen, könnten sie das Kind so nennen. Ingrid Marie Haraldsson. Haraldsson sah dem morgigen Tag voll Aufregung und freudiger Erwartung entgegen.
Fünf Jahre.
Hölzerne Hochzeit.
Deshalb bekam sie einen Baum geschenkt, von dem sie in allen nachfolgenden Jahren Äpfel pflücken konnte. Der im Frühjahr wunderschön blühte. Dessen Laub sie vor dem ersten Schnee zusammenrechen konnten. In den Ingrid Marie und ihre Geschwister klettern konnten. Vorsichtig, aber trotzdem. Haraldsson sah bereits vor sich, wie Jenny und er im Schatten des Apfelbaums in ihren Gartenstühlen saßen, wenn sie älter waren. Alt. Mit Kindern und Enkelkindern, die sie besuchten und die tütenweise Obst mit nach Hause nahmen, um Apfelgelee zu kochen und Saft zu pressen. Wenn sie nicht bis dahin schon längst einen Ableger des Baumes in ihrem eigenen Garten gepflanzt hatten. Es war ein Geschenk, an dem sie ihr gesamtes gemeinsames Leben über Freude haben würden. Eine Liebesgabe. Jenny würde sich riesig freuen. Aber damit nicht genug. Der Hochzeitstag würde damit fortgesetzt, dass ein Koch abends zu ihnen nach Hause kam. Er hatte eine Firma beauftragt, die sich um alles kümmerte und neben den Zutaten auch die Kochausrüstung mitbrachte. Ein komplettes Dreigängemenü mit Wein, und anschließend wurde sogar die Küche aufgeräumt. Sie konnten ganz einfach ausspannen. Ihre Zweisamkeit genießen.
Es konnte nichts schiefgehen.
Sein Handy klingelte. Abba. «Ring ring». Er warf einen kurzen Blick auf das Display, ehe er sich meldete. Die Arbeit. Was war denn nun schon wieder? «Haraldsson.»
«Wo bleiben Sie denn?» Annika. Seine Sekretärin. Er machte sich eine Gedächtnisnotiz, dass
Weitere Kostenlose Bücher