Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
sobald er sie erblickte. Es gab nur einen Zugang zu Lövhaga, und der führte an dem kleinen Wachhäuschen aus Ziegelstein vorbei. Als sie die ersten beiden Male hier gewesen war, hatte sie sich an der Luke ausweisen müssen. Jetzt erkannten die Männer sie bereits wieder und winkten sie sofort durch, als sie heranfuhr. Nachdem sie geparkt hatte, ging sie den Gang zum Gebäude entlang, an einem hohen Zaun mit Stacheldraht vorbei. Auf der anderen Seite lag der offene Trakt. Sie sah einige der Insassen im Hof sitzen und die Sonne genießen. Anscheinend war es ihnen zum Fußballspielen zu heiß. Sie hatten ihre Trikots ausgezogen und faulenzten. Einer von ihnen stand auf, um sie zu beäugen.
«Bist du hier, um mich zu treffen?», fragte er und ließ seine Muskeln spielen.
«Das hättest du wohl gern, was?», antwortete sie und ging zu der zweiten Schranke im zweiten Zaun, der ebenfalls mit Stacheldraht besetzt war. Dies war die Barriere, die den Sicherheitstrakt von den übrigen Gebäuden trennte. Hier verlangte der Wärter, dass sie sich auswies und ihre Waffe abgab. Aber auch hier hatte man sie bereits erwartet.
«Das ging schnell», sagte der Wärter. «Die anderen glaubten, Sie würden erst gegen zwölf hier eintreffen?»
«Es war so wenig Verkehr.»
«Haraldsson bat mich, Sie sofort hereinzulassen.»
«Er kommt aber nicht mit, oder?» Vanja konnte ihr Missfallen angesichts dieses Gedankens nicht ganz verbergen.
«Nein, aber er wollte darüber informiert werden, wenn Sie kommen.» Der Wärter schloss ihre Pistole in den grauen Tresor ein, nahm den Schlüssel und bestellte über Funk seinen Kollegen.
«Der Besuch für Hinde ist jetzt da.»
Vanja nickte ihm zum Abschied zu und stellte sich auf den Kiesplatz vor dem Wachhäuschen. Es dauerte einige Minuten, ehe ein anderer Wärter kam und sie holte. Er führte sie zu der großen, gepanzerten Tür und öffnete sie. Sie passierten zwei weitere Sicherheitstüren, liefen links einen Korridor entlang und einige Treppen hinauf. Anscheinend gingen sie jedoch nicht zu demselben Raum wie beim letzten Mal. Allerdings war sie sich nicht ganz sicher, denn die Inneneinrichtung sah in Lövhaga überall gleich aus. Institutionshellblau und alles relativ schlecht beleuchtet. Hier drinnen schien die Zeit stillzustehen.
Nach einer Weile blieb der Wärter stehen und bat sie um etwas Geduld. «Warten Sie bitte hier. Da Sie allein sind, müssen wir ihn erst gründlich sichern.»
Vanja nickte, überlegte jedoch, ob sie dasselbe Sicherheitsdenken auch an den Tag legen würden, wenn sie ein Mann wäre. Vermutlich nicht. Das war aber auch nicht weiter verwunderlich, denn Hinde hatte unbestritten ein besonderes Verhältnis zu Frauen. Obwohl sie überzeugt davon war, dass sie sich selbst verteidigen konnte, war sie trotzdem dankbar. Die Gefahr flößte ihr durchaus Respekt ein, auch wenn sie niemals zugegeben hätte, dass sie ein wenig nervös war.
Sie ging in einen kleinen Warteraum und setzte sich auf ein einfaches einfarbiges Sofa. Hier drinnen war es stickig und dunkel, das einzige Licht fiel durch ein kleines Gitterfenster weit oben in der Wand. Sie lehnte sich auf dem harten Sofa zurück und versuchte sich zu beruhigen. Der gesamte Tag war wie im Zeitraffer vergangen. Die Besprechung, die von Hinde unterbrochen worden war und die schnelle, improvisierte Fahrt nach Lövhaga. Und dann Sebastians Benehmen. Heute war er wirklich zu weit gegangen, überhaupt schien er gerade völlig durchzudrehen. Torkel hatte einige Minuten später angerufen und berichtet, dass Sebastian ihr in Ursulas Auto hinterhergerast sei. Daraufhin war Vanja den restlichen Weg mit Blaulicht gefahren und hatte Ursulas Auto zum Glück auch nie im Rückspiegel gesehen.
Einen Moment lang hatte sie überlegt, die Kollegen anzurufen und sie zu bitten, Sebastian zu aufzuhalten, aber das wäre Verschwendung von Arbeitskraft gewesen, obwohl sie sich sicher war, dass er sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielt. Außerdem würde Sebastian wahrscheinlich sowieso nicht mehr lange im Team sein. Das war das einzig Positive an der Situation. Sie merkte genau, wie sehr Sebastian unter Druck stand nach allem, was passiert war. So kalt und gefühlsgestört er auch sein mochte, so etwas ließ selbst ihn nicht unbeeinflusst. Trotzdem war es verrückt, dass er auch nur annährend etwas mit den Ermittlungen zu tun haben durfte. Sie würde wohl nie verstehen, dass Torkel, den sie trotzdem respektierte, ihn so lange
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