Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
verteidigt hatte. Gleichzeitig hatte sie Sebastian zu seinen Glanzzeiten nie erlebt. Wahrscheinlich lag es daran. Sie hatte ihn nicht gekannt, als er noch funktioniert hatte. Für Torkel war niemand ein Idiot. Abgesehen von diesem Irrtum war er der beste Chef, den sie je gehabt hatte, und sie entschied, keinen allzu großen Wind um das zu machen, was passiert war. Sebastians Bücher hatten sogar ihr einmal imponiert. Etwas hatte ihn also tatsächlich einmal ausgezeichnet, aber das war vorbei. Und inzwischen hatte sogar Torkel das begriffen – endlich.
Sie sollte sich lieber darauf konzentrieren, das Morden zu beenden und ihre Beziehung zu Billy wieder ins Reine zu bringen. Sie vermisste die Nähe zu ihm. Steckte womöglich Billys neue Freundin hinter seinem plötzlichen Sinneswandel? Dass er sich auf einmal nicht mehr mit der technischen Seite der Ermittlungen zufriedengab, mit der sie und die anderen im Team ihn beauftragten? Vielleicht hatte er ja auch recht. Vanja hatte seine Hilfe immer als gegeben genommen und ihn nicht immer nach seiner Meinung gefragt. Andererseits waren sie eigentlich stets ehrlich zueinander gewesen. Und das war es auch, was sie nicht verstand. Warum genau jetzt? Warum war er nun plötzlich unzufrieden, und warum hatte er nie etwas gesagt? Nie darüber gesprochen, wie es ihm ging? Vanja hatte eigentlich gehofft, dass sie die Vertrauensbasis dafür hätten, was aber offensichtlich nicht der Fall war. Sie beschloss, ausführlich mit ihm darüber zu reden, sobald sich die Möglichkeit dazu bot. Wahrscheinlich war das der einzige Weg.
Sie hörte, wie ein Stück entfernt eine Tür geöffnet wurde, und ging hinaus, um nachzusehen. Es war der Wachmann, der zurückkam.
«Er ist jetzt so weit.»
Angespannt folgte sie ihm, richtete sich auf und versuchte, so ruhig wie möglich auszusehen. Sie hatte Hinde bisher nur einmal getroffen, doch eines hatte sie gleich verstanden. Er konnte in Menschen hineinsehen. Ihre Gedanken lesen. Deshalb durfte sie jetzt weder nervös wirken noch angespannt.
Sie musste ganz einfach bluffen.
Es war ein anderer Raum. Kleiner als derjenige, in dem sie sich beim ersten Mal begegnet waren. Fensterlos. Die gleiche schmutzige hellblaue Farbe wie im Korridor. Er sah aus wie eine Zelle, die nicht mehr benutzt wurde. Zwei Stühle und ein Tisch in der Mitte, das war alles. Hinde saß mit dem Rücken zu ihr, sowohl seine Füße als auch seine Hände waren mit Handschellen oben und unten am Tisch festgekettet. Der Tisch wiederum war mit dem Fußboden verschraubt. Im Untersuchungsgefängnis würde die Polizei nie so weit gehen. Dafür würde schon der rechtliche Beistand der Inhaftierten sorgen, aber hier gab es keine Anwälte. Dies war Lövhaga, und es handelte sich nicht um ein gewöhnliches Verhör. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen waren vermutlich eine von Haraldssons Bedingungen dafür, dass Vanja Hinde überhaupt treffen durfte. Sie wunderte sich, wie es dem Serienmörder gelungen war, so kurzfristig ein Treffen durchzusetzen. Sebastian hatte immer noch keine Besuchserlaubnis erhalten. Etwas musste Hinde dem Gefängnisdirektor im Gegenzug dafür gegeben haben. Auch wenn es ihr gelegen kam, das erkannt zu haben, gefiel es ihr hingegen gar nicht, dass Haraldsson die Ermittlungen überhaupt beeinflussen konnte.
Hinde saß immer noch unbewegt da, obwohl er ihre Anwesenheit längst bemerkt haben musste. Das einzige Geräusch, das von ihm zu hören war, war das metallische Rasseln der Ketten, als er vorsichtig seine Hände bewegte. Der Wärter reichte ihr eine kleine schwarze Dose mit einem roten Knopf.
«Das ist der Überfallalarm. Ich stehe direkt vor der Tür. Klopfen Sie, wenn Sie fertig sind.» Vanja nahm den Alarm entgegen und warf einen skeptischen Blick darauf.
Der Wärter lächelte. «Zu ihrer Sicherheit. Die Regeln besagen eigentlich, dass Sie zu zweit sein müssen. Und Haraldsson möchte Sie anschließend sofort treffen, er will einen Bericht von Ihnen.»
«Natürlich», sagte sie und nickte, obwohl sie keineswegs vorhatte, Haraldsson irgendetwas zu verraten. Nicht, bevor sie mehr über seine Rolle in dem Ganzen wusste.
Der Gefängnisaufseher schloss die Tür hinter sich. Vanja betrachtete erneut Hindes unbeweglichen Rücken und wartete einige Sekunden, bevor sie langsam zu ihm ging.
«Ich bin jetzt da», sagte sie, noch bevor sie am Tisch angekommen war und ihn ansehen konnte.
Er antwortete, ohne sich umzudrehen. «Ich weiß.»
Vanja machte einen Bogen
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